Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber)
Schutz und Nutzung von Tropenwäldern
Rundgespräche der Kommission für Ökologie Bd. 42
Rundgespräch am 9. April 2013 in München
2013. [Deutsch] - 160 Seiten, 46 Farb- und 26 Schwarzweißabbildungen, 8 Tabellen.
24 x 17 cm. Paperback
ISBN: 978-3-89937-156-7
Der Berichtband enthält die überarbeiteten Vorträge und Diskussionen einer gleichnamigen Fachtagung der Kommission für Ökologie, ergänzt mit einem Schlagwortverzeichnis. Neben einem allgemeinen Überblick über die Entwicklungen im Tropenwald werden an einem konkreten Fallbeispiel – dem tropischen Bergregenwald in Südecuador, wo deutsche Wissenschaftler im Rahmen einer von der DFG geförderten Forschergruppe seit über 15 Jahren ökologische Prozesse untersuchen – Möglichkeiten zum Schutz und zur Nutzung des Tropenwaldes aufgezeigt. Der Band richtet sich gleichermaßen an Fachleute wie an interessierte Laien.
Organisator des Rundgesprächs: Prof. Dr. Reinhard MOSANDL
Mit Beiträgen von:
Prof. Dr. Jörg BENDIX, Prof. Dr. Konrad FIEDLER, Prof. Dr. Robbert GRADSTEIN, Prof. Dr. Christoph KLEINN, Prof. Dr. Thomas KNOKE, Prof. Dr. Konrad MARTIN, Prof. Dr. Reinhard MOSANDL, Prof. Dr. Manfred NIEKISCH, Prof. Dr. Perdita POHLE, Prof. Dr. Josef H. REICHHOLF, Prof. Dr. Teja TSCHARNTKE und Prof. Dr. Michael WEBER.
Ein Exemplar zur Rezension können Sie beim Verlag anfordern:Rezensionsexemplar
Verzeichnis der Vortragenden und der Diskussionsteilnehmer am Rundgespräch 5
Vorwort 7
Begrüßung durch den Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 8-9
Begrüßung durch den Vorsitzenden der Kommission für Ökologie 10
Reinhard MOSANDL: Einführung in das Rundgespräch 11-15
Diskussion 15-16
Teil I: Gefährdung und Schutz von Tropenwäldern
Josef H. REICHHOLF: Tropenwälder weltweit: hohe Artenvielfalt auf mageren Böden 17-27
Konrad MARTIN: Tropenwaldzerstörung in Asien: Dimension und Folgen des Kautschukanbaus 29-42
Diskussion 42
Manfred NIEKISCH: Schutz von Tropenwäldern – welche Lösungen gibt es? 43-51
Diskussion 52
Teil II: Nutzungspotenziale von Tropenwäldern
Christoph KLEINN: Wald und Forstwirtschaft in internationalen Prozessen – die Renaissance von Tropenwaldinventuren 53-64
Teja TSCHARNTKE und Yann CLOUGH: Lassen sich Biodiversitätsschutz und landwirtschaftliche Nutzung im Randbereich tropischer Regenwälder verbinden? 65-73
Diskussion 74
Teil III: Tropischer Bergregenwald in Südecuador: ein Fallbeispiel
Jörg BENDIX: Landnutzungsänderungen im Bereich des tropischen Bergregenwaldes Südecuadors 75-84
Konrad FIEDLER: Die Nachtfalterfauna im Gebiet des tropischen Bergregenwaldes in Ecuador – der Einfluss des Menschen 85-95
Diskussion 95-96
Robbert GRADSTEIN: Auswirkungen von Landnutzungsänderungen auf Epiphyten im Tropenwald 97-104
Diskussion 105-106
Perdita POHLE: Nutzung des tropischen Bergregenwaldes in Südecuador durch indigene Gruppen 107-120
Reinhard MOSANDL: Nachhaltige Bewirtschaftung des tropischen Bergregenwaldes in Ecuador 121-128
Diskussion 129-130
Michael WEBER: Aufforstung aufgelassener Weiden im Bereich des tropischen Bergregenwaldes in Ecuador 131-141
Diskussion 142
Thomas KNOKE: Ein ökonomisches Modell zur Erhaltung des Tropenwaldes in Ecuador 143-150
Diskussion 151-152
Abschließende Diskussion 153-155
Schlagwortverzeichnis 156-160
Josef H. REICHHOLF:
Tropenwälder weltweit: hohe Artenvielfalt auf mageren Böden
[Seite 17-27]
In den Wäldern der Tropen gibt es besonders viele Tier- und Pflanzenarten. Die gegenwärtig großflächige Vernichtung der Tropenwälder gefährdet daher den Fortbestand der globalen Biodiversität. Diese Feststellung erscheint übertrieben, gibt es doch noch rund die Hälfte des ursprünglichen Bestands an Wäldern in der Tropenzone. Doch deren Natur ist anders als die von Wäldern der gemäßigten Klimazone. Vielfach enthalten die Böden sehr wenig von den Bäumen verwertbare Mineralstoffe oder stark saisonale Niederschläge schränken das Wachstum ein. Mangel charakterisiert daher die meisten Tropenwälder. Überfluss herrscht generell an Sonneneinstrahlung und damit an Energie, aber um diese zu verwerten, braucht es Wasser, und daran kann es, zumindest zeitweise, mangeln. Die extrem hohe Biodiversität ist evolutionärer und ökologischer Ausdruck des Mangels. Die Menschen aber brauchen für ein nachhaltiges Wirtschaften nutzbare Überschüsse. Die gegenwärtige Form des Raubbaus in den Tropen setzt die Substanz in Wert, ist aber nicht nachhaltig. Im Interesse der Bevölkerung und der Erhaltung der Biodiversität ist es daher notwendig, nachhaltige Formen der Bewirtschaftung zu entwickeln und vornehmlich das von den Tropenwäldern zu nutzen, was sie im Überfluss enthalten, nämlich die bislang unzureichend beachtete Vielfalt an sekundären Inhaltsstoffen. Nur wo die Böden ausreichend Nährstoffe enthalten und entsprechend strukturiert sind, ist eine landwirtschaftliche Bodennutzung im herkömmlichen Sinn möglich. Entwicklungsprogramme haben diese Naturgegebenheiten zu berücksichtigen, um Fehler und Schäden zu vermeiden.
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Konrad MARTIN:
Tropenwaldzerstörung in Asien: Dimension und Folgen des Kautschukanbaus
[Seite 29-42, 7 Farb- und 2 s/w-Abbildungen]
Als geografische Einheit bildet das Einzugsgebiet des Mekong mit den angrenzenden Ländern die so genannte Greater Mekong Subregion (GMS), die auch den global bedeutenden indo-burmesischen Biodiversitätshotspot umfasst. Die Fläche der tropischen Wälder dieser Region hat sich in den letzten vier Jahrzehnten um rund ein Drittel verringert, mit fortschreitender Tendenz. Die tatsächliche Bestandsgröße ist aufgrund von Unterschieden in der Definition des Begriffs »Wald« und in der Genauigkeit von Fernerkundungsverfahren nur schwer zu bestimmen. Der aktuell noch vorhandene Anteil an relativ ungestörten Primärwäldern wird auf rund 5 % der Gesamtfläche der GMS geschätzt. Die Ursachen der Waldverluste in der GMS beruhen im Wesentlichen auf der Ausdehnung und Intensivierung der Agrarproduktion, der kommerziellen Abholzung und dem Anbau von Plantagenwäldern.
Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat sich die Kautschukproduktionsfläche der GMS mindestens verdoppelt und wird weiter deutlich ansteigen. Inzwischen stammt über die Hälfte des weltweit produzierten Naturkautschuks aus der GMS. Ein Drittel der Weltproduktion wird von China verbraucht. Etwa drei Viertel des Naturkautschuks beansprucht die Reifen- und Fahrzeugindustrie. Die Ausdehnung des Kautschukanbaus gefährdet nicht nur Waldgebiete und deren Biodiversität, sondern beeinträchtigt auch bedeutende Ökosystemdienstleistungen und -funktionen des Wasser- und Kohlenstoffkreislaufs mit Folgen wie Erosion, Wassermangel und Kontamination durch Agrochemikalien. Der Kautschukboom ermöglicht Kleinbauern zwar eine wesentliche Verbesserung des Einkommens, die Aufgabe der traditionellen Landnutzung zugunsten einer Plantagenmonokultur beinhaltet aber auch Risiken. Mit der Entscheidung für den Kautschukanbau legen sich die Kleinproduzenten für Jahrzehnte fest und haben damit nicht die Möglichkeit, auf ökonomische und ökologische Krisen flexibel zu reagieren. Das BMBF-geförderte Verbundprojekt SURUMER entwickelt alternative Konzepte und praktische Landnutzungsstrategien zur Minimierung der negativen Folgen des Anbaus von Kautschukmonokulturen. Gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren und Entscheidungsträgern zählt dazu die Entwicklung von Anbausystemen mit erhöhter Struktur- und Nutzpflanzenvielfalt, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch tragfähig sind.
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Manfred NIEKISCH:
Schutz von Tropenwäldern – welche Lösungen gibt es?
[Seite 43-52, 6 Farbabbildungen]
Tropische Wälder sind besonders artenreich und damit von herausragender Bedeutung für den Schutz biologischer Diversität. Der finanzielle oder wirtschaftliche Wert ihrer vielfältigen Ökosystemdienstleistungen für den Menschen lässt sich monetär nicht umfassend bewerten und eine isolierte Betrachtung einzelner Leistungen, etwa als Kohlenstoffspeicher, ist problematisch. Anhand einiger konkreter Fallbeispiele wird nachfolgend gezeigt, mit welch unterschiedlichen Strategien und Projekten wirksamer Tropenwaldschutz erreicht werden kann. Insbesondere werden die engen Zusammenhänge zwischen dem Verbraucherverhalten in den Industrieländern einerseits und der Umwandlung von Waldflächen in Entwicklungsländern für Soja, Ölpalmenplantagen und Shrimpzuchten andererseits beleuchtet. Sie führen zur Monopolisierung von Produktion und Produkten, zur Monotonisierung von Landschaft und zum Wegfall von Nutzungsoptionen für die lokale Bevölkerung. Die Ernährungssicherung vor allem für Gemeinschaften in Subsistenzwirtschaft kann im Jahresverlauf nur gewährleistet werden durch eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen, die unterschiedlich genutzt werden, nicht durch Massenproduktion aus wenigen Arten. So zeigt sich auch schnell der Zusammenhang zwischen Armutsbekämpfung und Tropenwaldschutz mit der Konsequenz, dass Naturschützer verstärkt die entwicklungspolitischen Dimensionen ihrer Maßnahmen erkennen müssen, während Institutionen der »humanitären« Hilfe und Entwicklungspolitik vermehrt den ökologischen Kontext ihres Wirkens berücksichtigen müssen.
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Christoph KLEINN:
Wald und Forstwirtschaft in internationalen Prozessen – die Renaissance von Tropenwaldinventuren
[Seite 53-64, 1 Farbabbildung, 1 Tabelle]
Auf der großen Umwelt- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro 1992 wurden drei große internationale Konventionen auf den Weg gebracht: die Klimakonvention UN-FCCC, die Biodiversitätskonvention UN-CBD und die Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung UN-CCD. Zwar ist es bis heute nicht gelungen, eine internationale Waldkonvention zu vereinbaren, der Wald spielt aber in den drei genannten Konventionen eine ganz wesentliche Rolle.
Informationen über die quantitative und qualitative Entwicklung der Wälder sind von den internationalen politischen Prozessen stark nachgefragt. Insbesondere die angekündigten erheblichen Kompensationszahlungen an Entwicklungsländer, wenn diese erfolgreich die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen, sodass Entwaldung und Walddegradierung reduziert werden, erfordern belastbare Daten, die den Erfolg der implementierten Maßnahmen nachweisen. Gefragt ist dann eine »solide« Datenbasis zum Zustand und zu den Veränderungen der Wälder im Vergleich zu einem Referenzszenario ohne diese neuen Maßnahmen.
Es ist dies das erste Mal in der langen Geschichte nationaler Waldinventuren, dass deren Ergebnisse eine unmittelbare Grundlage für ökonomische Transaktionen sind. Entsprechend gestiegen ist die Aufmerksamkeit, die Waldinventuren in Tropenländern gegenwärtig entgegengebracht wird. Eine weitaus größere Zahl von Experten befasst sich heute mit nationalen und internationalen Walddaten als dies noch vor 1-2 Jahrzehnten der Fall war.
In dem Beitrag werden Grundzüge der wissenschaftlichen und organisatorischen Planung und Durchführung großräumiger Waldinventuren in Tropenländern und die sich daraus ergebenden wissenschaftliche Herausforderungen vorgestellt und diskutiert. Waldinventuren sollen eine Grundlage von »evidence-based policies« sein. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik: eine Herausforderung sowohl für die Praxis der Waldinventuren, aber auch für die Forschung und für die Ausbildung und Förderung des akademischen Nachwuchses. Auch dieses Spannungsfeld ist Gegenstand des Beitrags.
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Teja TSCHARNTKE und Yann CLOUGH:
Lassen sich Biodiversitätsschutz und landwirtschaftliche Nutzung im Randbereich tropischer Regenwälder verbinden?
[Seite 65-74, 3 Farb- und 3 s/w-Abbildungen]
Die Zerstörung tropischer Regenwälder gehört zu den wichtigsten Ursachen des weltweiten Artenrückgangs. Gerade die am meisten gefährdeten Arten sind auf den strikten Schutz ungestörter Regenwälder angewiesen. Entsprechend sollte darauf höchste öffentliche Aufmerksamkeit liegen. Allerdings stehen weltweit nur 12 % der Landfläche unter Schutz und 40 % werden landwirtschaftlich genutzt, sodass Schutzgebiete keineswegs für einen nachhaltigen Biodiversitätsschutz ausreichen. Zudem zeigt eine aktuelle Studie, dass die tropischen Waldschutzgebiete weltweit durch illegale Nutzung in erheblichem Masse beeinträchtigt sind. Für einen effektiven Waldschutz spielt eine große Rolle, ob bewaldete Landnutzungsflächen (in der Regel Kaffee- und Kakao-Agroforstsysteme) oder Offenlandflächen am Waldrand angesiedelt sind. Kleinbauern im Randbereich tropischer Regenwälder können von der Biodiversität, wie sie die angrenzenden Wälder befördern, bei ihrer Flächennutzung profitieren. Beispielsweise ist in solchen Fällen die Bestäubung (von Kaffee) oder die biologische Schädlingskontrolle erhöht. Dieser Nutzen der Biodiversität bietet eine Chance, Schutzanstrengungen mit den Bedürfnissen der meist armen Kleinbauern zu verbinden.
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Jörg BENDIX:
Landnutzungsänderungen im Bereich des tropischen Bergregenwaldes Südecuadors
[Seite 75-84, 4 Farb- und 2 s/w-Abbildungen, 2 Tabellen]
Der Bergregenwald im Süden Ecuadors, seine außerordentlich hohe Biodiversität und seine ökosystemaren Dienstleitungen sind durch den Landnutzungswandel gefährdet. Lokale Farmer brennen den Naturwald ab und wandeln ihn in Weideflächen um. Nach mehreren Brandzyklen zur Verjüngung des Weidegrases überwuchert Adlerfarn die geschaffenen Flächen und führt schließlich zum Auflassen der Weiden. Mithilfe von Satellitendaten konnte gezeigt werden, dass (1) ein Großteil der angelegten Weiden im San-Francisco-Tal in den Südostanden Ecuadors nur noch eingeschränkt bzw. nicht mehr nutzbar ist und (2) die Zerstörung und damit eine Verinselung des Naturwaldes insbesondere in den unteren Tallagen begonnen hat, mittlerweile aber in höher gelegene Gebiete reicht. Mit ca. 1,3 % jährlicher Verlustrate in den letzten Dekaden weist das Untersuchungsgebiet die höchste Entwaldungsrate Südamerikas auf. Projektionsrechnungen nach dem Business-as-usual-Szenario zeigen, dass der Naturwald bis 2070 außerhalb geschützter Bereiche vollständig verschwunden sein könnte, wenn nicht gegengesteuert wird. Auf wissenschaftlicher Basis werden daher nachhaltige Landnutzungsoptionen vorgeschlagen, die neben einer Intensivierung der Weidewirtschaft u. a. die Aufforstung aufgelassener Weiden mit einheimischen Baumarten, aber auch bewährte nachhaltige Landnutzungssysteme indigener Bevölkerungsgruppen umfassen.
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Konrad FIEDLER:
Die Nachtfalterfauna im Gebiet des tropischen Bergregenwaldes in Ecuador – der Einfluss des Menschen
[Seite 85-96, 4 Farb- und 3 s/w-Abbildungen, 2 Tabellen]
Die Artengemeinschaften von Nachtfaltern in den Bergregenwäldern Südecuadors gehören zu den artenreichsten der Erde. Wesentlich dafür ist einerseits die enorme ökologische Heterogenität des Gebiets: Steile Umweltgradienten und damit einhergehend eine Vielzahl von Habitaten ermöglichen eine Koexistenz vieler, vor allem auch spezialisierter Arten auf engem Raum. Ein erheblicher Anteil dieser hohen Biodiversität hat sich über lange Zeiträume seit dem mittleren Miozän akkumuliert. Ökologische wie historische Faktoren sind daher gemeinsam verantwortlich für den Status der Region als globaler Hotspot der Biodiversität.
Menschliche Landnutzung in Südecuador führt bisher meist zum Verlust von Bergwaldflächen. Werden gestörte Flächen der sekundären Sukzession überlassen, so erreicht die Zahl der Nachtfalterarten zumindest in waldnahen Lagen nach wenigen Jahrzehnten wieder sehr hohe Werte, wenn auch die Artenzusammensetzung noch nicht wieder der im Naturwald entspricht. Ein Naturwaldexperiment belegte, dass eine schonende Nutzung des Waldes durch selektive Auflichtung nur geringen Einfluss auf die Nachtfalterdiversität hat; damit zeigt dieses Experiment eine biodiversitätsverträgliche Nutzungsoption auf. Inwieweit Aufforstungen mit indigenen Baumarten auf vom Naturwald weiter entfernten, stark devastierten Flächen zur Erhaltung der Insektenbiodiversität beitragen können, kann noch nicht beantwortet werden. Zumindest 6-8 Jahre nach Etablierung dieser Aufforstungen ist ihre Nutzung durch die Larvenstadien von Nachtfaltern noch sehr gering. Erfolge solcher Aufforstungen dürften erst nach Jahrzehnten sichtbar werden und erfordern die Existenz naturnaher Wälder als Quellareale für eine spontane Wiederbesiedlung durch Tiere.
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Robbert GRADSTEIN:
Auswirkungen von Landnutzungsänderungen auf Epiphyten im Tropenwald
[Seite 97-106, 6 Farb- und 3 s/w-Abbildungen]
Feuchte Tropenwälder bieten eine Fülle von Habitaten für Epiphyten wie Bromelien, Farne, Moose oder Flechten. Epiphyten sind für die Laubschicht in Tropenwäldern von großer ökologischer Bedeutung, da sie Niederschläge und Nährstoffe aus der Atmosphäre sammeln und speichern und Lebensräume für andere Organismen bilden. Aufgrund ihrer starken Abhängigkeit von den atmosphärischen Bedingungen am Wuchsort reagieren Epiphyten sehr empfindlich auf Umweltveränderungen und eignen sich daher in besonderer Weise als Bioindikatoren für Luftschadstoffe und Klimaänderungen. Dennoch sind die Kenntnisse über die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Epiphytenflora vor allem in den Tropen noch sehr lückenhaft.
Untersuchungen in Costa Rica, Ecuador, Bolivien und Indonesien entlang eines Landnutzungsgradienten, von Natur- und Sekundärwäldern über Brachen und Weideflächen zu Kakao-Agroforstsystemen, ergaben, dass durch anthropogene Störungen die Zahl der Epiphytenarten nur teilweise, die Artenzusammensetzung jedoch immer und bei allen untersuchten Epiphytengruppen beeinflusst wird. Die wichtigsten Faktoren für die Diversität von Epiphyten sind dabei die Schließung des Kronendachs, das Mikro- und das Makroklima am Standort sowie Eigenschaften der Wirtsbäume. Agroforstsysteme und isolierte Bäume (z. B. auf Weideflächen) spielen als Refugien für den Erhalt von Epiphytenarten eine eher untergeordnete Rolle. Die Regenerierung der Epiphytenflora in Tropenwäldern nach einer starken Schädigung (z. B. Kahlschlag) ist ein sehr langsamer Prozess, der sich über mehr als hundert Jahre erstrecken kann. Für den Erhalt der Epiphytendiversität ist die Erhaltung eines mehr oder wenig geschlossenen Kronendachs auf den anthropogen veränderten Flächen von besonderer Bedeutung.
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Perdita POHLE:
Nutzung des tropischen Bergregenwaldes in Südecuador durch indigene Gruppen
[Seite 107-120, 5 Farb- und 1 s/w-Abbildung, 1 Tabelle]
Die tropischen Bergregenwälder Südecuadors sind durch eine überproportional hohe Biodiversität gekennzeichnet. Sie spielen als Lebensraum, Wassereinzugsgebiet und für den Erhalt genetischer Ressourcen eine wichtige Rolle. Gleichzeitig stehen diese sensiblen Ökosysteme unter einem enormen Nutzungsdruck durch die Ausdehnung landwirtschaftlicher Nutzflächen, insbesondere Weiden, durch Holzentnahme, Abbau von Bodenschätzen, Wassergewinnung und andere anthropogene Eingriffe. Nach Hamilton et al. (1995) gelten 90 % der ursprünglichen Waldbedeckung in den Anden als anthropogen zerstört oder verändert. Heute besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass in den Tropen jeder Versuch, »Primärwaldareale« zu erhalten, scheitern muss, wenn nicht gleichzeitig und auf Dauer die Interessen und Nutzungsansprüche der lokalen Bevölkerung berücksichtigt werden. Nicht ausschließlich strikter Waldschutz, sondern integrierte Schutz- und Nutzungskonzepte sind gefragt. Ausgehend von diesen Leitgedanken soll am Beispiel der Bergregenwaldregionen Südecuadors und den dort lebenden indigenen Gruppen der Shuar und Saraguro analysiert werden, inwieweit traditionelles Umweltwissen und indigenes Biodiversitätsmanagement für eine nachhaltige Landnutzungsentwicklung verfügbar gemacht werden können.
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Reinhard MOSANDL:
Nachhaltige Bewirtschaftung des tropischen Bergregenwaldes in Ecuador
[Seite 121-130, 5 Farb- und 1 s/w-Abbildung, 1 Tabelle]
Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekts »Biodiversity & Sustainable Management of a Megadiverse Mountain Ecosystem in South Ecuador« (FOR816) wurde der Frage nachgegangen, inwieweit ein bislang weitgehend unberührter Naturwald einer forstlichen Nutzung zugeführt werden kann, ohne dass Beeinträchtigungen der Biodiversität zu befürchten sind. Dazu wurde in einem im Rio-San-Francisco-Tal gelegenen Bergregenwald im Jahr 2004 ein Naturwaldexperiment angelegt, bei dem einzelne wertvolle Bäume (sog. PCT, Potential Crop Trees) durch die moderate Entnahme benachbarter Bäume gezielt gefördert wurden. Es zeigte sich, dass der Durchmesserzuwachs der PCT pro Jahr nur bei maximal 3-4 mm lag und nur in Einzelfällen durch die Fördereingriffe stimuliert werden konnte. Die Tropenwaldbäume blühten und fruktifizierten kontinuierlich während des gesamten Beobachtungszeitraumes von 2004 bis 2012, allerdings waren die Dichte der Naturverjüngung und die Abundanz der ausgewählten Baumarten nicht sehr hoch. Das langsame Wachstum sowohl der Altbestandsbäume als auch der Naturverjüngung lassen keine schnellen Gewinne durch den Verkauf von Holzprodukten erwarten. Dennoch erscheint eine forstliche Nutzung ohne Beeinträchtigung der Biodiversität des tropischen Bergregenwaldes möglich. Dazu muss jedoch mit Produktionszeiträumen wie in unseren Breiten gerechnet werden. Dies ist in Ecuador aber nur dann machbar, wenn der aus dem landwirtschaftlichen Bereich herrührende Druck auf den Wald gelockert wird.
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Michael WEBER:
Aufforstung aufgelassener Weiden im Bereich des tropischen Bergregenwaldes in Ecuador
[Seite 131-142, 6 Farb- und 2 s/w-Abbildungen, 1 Tabelle]
Ecuador zählt weltweit zu den Hotspots der Biodiversität. Dessen ungeachtet weist es eine der höchsten Entwaldungsraten Südamerikas auf, hauptsächlich bedingt durch die Umwandlung von Wald in Weideflächen. Wegen der nicht nachhaltigen Bewirtschaftung der neu geschaffenen Weiden muss deren Nutzung nach einiger Zeit jedoch wieder aufgegeben werden. Auf diese Weise entsteht ein ständig größer werdendes Areal an übernutzten und degradierten Flächen, das 2011 auf ca. 3,8 Millionen Hektar veranschlagt wurde. Die Aufforstung solcher Flächen mit einheimischen Baumarten stellt eine Möglichkeit dar, sie wieder produktiv zu nutzen und gleichzeitig einen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität zu leisten.
Der Beitrag präsentiert einige Ergebnisse umfangreicher waldbaulicher Untersuchungen, die dazu beitragen sollen, die noch bestehenden Kenntnislücken zur Aufforstung aufgelassener Flächen mit heimischen Baumarten zu schließen.
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Thomas KNOKE:
Ein ökonomisches Modell zur Erhaltung des Tropenwaldes in Ecuador
[Seite 143-152, 4 s/w-Abbildungen]
Derzeit diskutierte Ansätze einer nachhaltigen Landnutzung versuchen eine gesteigerte Nahrungsmittelproduktion und den Schutz des Tropenwaldes durch Intensivierung der Landwirtschaft zu verbinden. Die Produktion von mehr Nahrungsmitteln pro Einheit an Landfläche soll durch eine »nachhaltige Intensivierung« erreicht werden, um so unsere natürlichen Ökosysteme und damit das Naturkapital zu schonen. Allerdings waren mit der landwirtschaftlichen Intensivierung in der Vergangenheit immer erhebliche ökologische Probleme verbunden, wie z. B. Bodenerosion, Eutrophierung und Verschmutzung der Gewässer sowie des Grundwassers, eine Homogenisierung der Landschaft und schließlich der Verlust an Biodiversität; Probleme, für die bislang keine überzeugende Lösung gefunden wurde. Selten wird im Rahmen der diskutierten Landnutzungskonzepte jedoch eine Rekultivierung der weltweit in großem Ausmaß vorhandenen, aufgegebenen, ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen als Lösungsweg mit in die Diskussion einbezogen.
Der Beitrag zeigt mithilfe eines für das Land Ecuador entwickelten Landnutzungsmodells, welches auf den ökonomischen Größen Ertrag und Risiko aufbaut, wie Rekultivierungsmaßnahmen (Aufforstung und Wiedereinrichtung von Weiden) aufgelassener ehemaliger Weideflächen die Landnutzungsverteilung in Ecuador verschieben könnten. Dabei wird das Modell mithilfe von simulierten Kompensationszahlungen an die Farmer so eingestellt, dass die Fläche des Naturwaldes konstant bleibt, also keine weitere Umwandlung in landwirtschaftliche Fläche erfolgt. Die simulierten Ergebnisse zeigen, dass sich durch Rekultivierungsmaßnahmen einerseits die Nahrungsmittelproduktion steigern lässt, wodurch die modellierten Lebensmittelpreise in der Tendenz fallen. Damit verbunden zeigt das Modell aufgrund der unterstellten sehr hohen Preise für Ackerprodukte eine Umwandlung eines Teils der existierenden Weiden in Äcker, was die landwirtschaftliche Produktion im Modell, je nach Szenario, insgesamt um ca. 30-50 % anheben würde. Dies eröffnet die Möglichkeit, entsprechend mehr Ecuadorianer/innen zu ernähren und so dem erwarteten Anstieg der Bevölkerungszahl gerecht zu werden. Gleichzeitig zeigt sich, dass die simulierten Kosten zum Erhalt des ecuadorianischen Tropenwaldes um bis zu 19 % niedriger ausfallen als bei einem Schutzkonzept ohne Beachtung der land- und forstwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten.
Die klassischen Instrumente des Naturschutzes wie die Ausweisung von Schutzgebieten oder die Ausarbeitung internationaler Konventionen reichen offenbar für einen wirkungsvollen Schutz von Tropenwäldern nicht aus. Es sind neue integrierte Schutz- und Nutzungskonzepte nötig, die die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung einbeziehen.
Die Kommission für Ökologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die sich bereits 1994 mit dem Beitrag bayerischer Wissenschaftler zur Tropenforschung befasst hat, greift mit dem aktuellen Berichtband die Tropenwaldproblematik wieder auf. Neben einem allgemeinen Überblick über die Entwicklungen im Tropenwald werden an einem konkreten Fallbeispiel – dem tropischen Bergregenwald in Südecuador, wo deutsche Wissenschaftler im Rahmen einer von der DFG geförderten Forschergruppe seit über 15 Jahren ökologische Prozesse untersuchen – Möglichkeiten zum Schutz bei gleichzeitiger schonender Nutzung des Tropenwaldes aufgezeigt. Die in dem Band vorgestellten Schutz- und Nutzungskonzepte reichen von bereits erfolgreichen Biosphärenreservaten und von bewährten nachhaltigen Landnutzungsformen indigener Gemeinschaften über eine vorsichtige forstwirtschaftliche Nutzung bis zum Anbau von Kakao in nachhaltigen Agroforstsystemen und der Aufforstung und Rekultivierung aufgelassener Weideflächen. Ein ökonomisches Modell zur nachhaltigen Landnutzung in Ecuador versucht, die verschiedenen Nutzungsansprüche und -möglichkeiten mit einer Abschätzung der für den Schutz des Naturwaldes anfallenden Kosten, mit der Ernährung der steigenden Bevölkerung und mit den jeweils anfallenden CO2-Emissionen zu verbinden.
Der Berichtband enthält die überarbeiteten Vorträge und Diskussionen einer gleichnamigen Fachtagung im Frühjahr 2013, ergänzt mit einem Schlagwortverzeichnis. Unser Dank gilt allen, die zum Entstehen des Buches beigetragen haben, allen voran den Referenten des damaligen Rundgesprächs.
Reinhard MOSANDL, Karl O. STETTER
Vortragende (*) und Diskussionsteilnehmer
Beck, Andreas, Dr., Botanische Staatssammlung München, München.
*Bendix, Jörg, Prof. Dr., Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Geographie, Physische Geographie, Marburg.
Bresinsky, Andreas, Prof. Dr., Sinzing.
Eschrich, Alfred, Dr., Unterhaching.
Fechter, Jürgen, Dr., KfW Entwicklungsbank, Kompetenzcenter Landwirtschaft und Naturressourcen, Frankfurt.
*Fiedler, Konrad, Prof. Mag. Dr., Universität Wien, Department für Tropenökologie & Biodiversität der Tiere, Wien, Österreich.
Fischer, Anton, Prof. Dr., Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München, Fachgebiet Geobotanik, Freising.
*Gradstein, Robbert, Prof. Dr., Muséum national d’Histoire naturelle, Département Systématique et Evolution, Paris, Frankreich.
Haber, Wolfgang, Prof. Dr. Dr. h.c., Freising.
Hoffmann, Karl-Heinz, Prof. Dr. Dr. h.c. mult., Bayerische Akademie der Wissenschaften, Präsident, München.
Hoppe, Brigitte, Prof. Dr., MZWTG – Münchner Zentrum für Wissenschafts- und Technikgeschichte, Geschichte der Naturwissenschaften, München.
Kirchner, Korbinian, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Studentische Förderinitiative der Naturwissenschaften e.V., Halle.
*Kleinn, Christoph, Prof. Dr., Georg-August-Universität Göttingen, Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie, Abteilung Waldinventur und Fernerkundung, Göttingen.
Klink, Hans-Jürgen, Prof. Dr., Aachen.
*Knoke, Thomas, Prof. Dr., Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München, Fachgebiet Waldinventur und nachhaltige Nutzung, Freising.
Kollmann, Johannes, Prof. Dr., Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München, Lehrstuhl für Renaturierungsökologie, Freising.
Küppers, Manfred, Prof. Dr., Universität Hohenheim, Institut für Botanik, Stuttgart.
Mannigel, Elke, Dr., OroVerde – Die Tropenwaldstiftung, Teamleitung Internationale Projekte, Bonn.
*Martin, Konrad, Prof. Dr., Universität Hohenheim, Institut für Pflanzenproduktion und Agrarökologie in den Tropen und Subtropen, Stuttgart.
*Mosandl, Reinhard, Prof. Dr., Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München, Lehrstuhl für Waldbau, Freising.
*Niekisch, Manfred, Prof. Dr., Zoologischer Garten Frankfurt, Direktion, Frankfurt.
*Pohle, Perdita, Prof. Dr., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Kulturgeographie und Entwicklungsforschung, Erlangen.
*Reichholf, Josef H., Prof. Dr., Neuötting.
Reiner, Susann, Dr., Regenwald-Institut e.V., Geschäftsführung, Freiburg.
Rößiger, Jörg, Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München, Fachgebiet Waldinventur und nachhaltige Nutzung, Freising.
Sauer, Hans Dieter, Wissenschaftsjournalist, Pähl.
Stetter, Karl O., Prof. Dr., Bayerische Akademie der Wissenschaften, Kommission für Ökologie, München.
Strobl, Adolf, Dr., München.
*Tscharntke, Teja, Prof. Dr., Georg-August-Universität Göttingen, Department für Nutzpflanzenwissenschaften, Abteilung Agrarökologie, Göttingen.
Waechter, Annette, Pro Regenwald e.V., München.
*Weber, Michael, Prof. Dr., Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München, Fachgebiet Internationale Forstwirtschaft, Freising.
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