Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber)
Ökologie und Bioökonomie
Neue Konzepte zur umweltverträglichen Nutzung natürlicher Ressourcen
Rundgespräche Forum Ökologie Bd. 48
Rundgespräch am 26. April 2019 in München
2019. [Deutsch] – 144 Seiten, 37 Farb- und 12 Schwarzweißabbildungen, 7 Tabellen
24 x 17 cm. Paperback
ISBN: 978-3-89937-246-5
Reihe: Rundgespräche Forum Ökologie
Organisation der Tagung:
Prof. Dr. Ingrid Kögel-Knabner
Prof. Dr. Susanne S. Renner
Redaktion:
Dr. Claudia Deigele, Forum Ökologie
Vorwort 5
Begrüßung durch den Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 7
Begrüßung durch die Vorsitzende des Forums Ökologie 9
Wolfgang Haber: Ökologie und Bioökonomie. Einführung in das Rundgespräch 11
Philipp Mennig und Johannes Sauer: Integration von Ökologie und Bioökonomie am Beispiel von Agrarumweltmaßnahmen 17
Diskussion 28
Gabriele Weber-Blaschke: Nachhaltige Forst- und Holzwirtschaft als Basis der Bioökonomie 31
Diskussion 44
Chris-Carolin Schön: Steigerung von Produktivität und Nachhaltigkeit – Die Pflanzenzüchtung kann das 47
Diskussion 57
Robert Arlinghaus: Bioökonomische Ansätze für ein nachhaltiges Management von wildlebenden Süßwasserfischen 59
Diskussion 69
Wolfgang W. Weisser: Bioökonomie als Chance für die Insektenvielfalt 71
Diskussion 76
Sebastian Wolfrum und Johannes Burmeister: Neue Konzepte zur umweltverträglichen Nutzung des Bodens 79
Diskussion 90
Iris Lewandowski und Moritz von Cossel: Welche Biomassepflanzen braucht eine nachhaltige Bioökonomie? 91
Diskussion 103
Markus Gandorfer: Digitale teilflächenspezifische Stickstoffdüngung – eine ökonomisch-ökologische Perspektive 105
Diskussion 113
Beate Jessel: Schutz und Nutzung von Natur und Landschaft im Kontext der Bioökonomie – (k)ein Schritt vorwärts? 115
Diskussion 126
Ingrid Kögel-Knabner und Susanne S. Renner: Zusammenfassung des Rundgesprächs 129
Verzeichnis der Organismen(gruppen) 133
Schlagwortverzeichnis 134
Verzeichnis der Vortragenden und Diskussionsteilnehmer am Rundgespräch 139
Ökologie und Bioökonomie.
Einführung in das Rundgespräch
Wolfgang Haber
S. 11-15
Bioökonomie hat viele Vorläufer und Parallelen. Als Haeckel 1866 den Begriff Ökologie einführte, definierte er sie nach Konzepten aus dem 17. und 18. Jahrhundert als »Ökonomie der Natur«. Zu dieser Zeit war Ökonomie als Wissenschaft bereits etabliert, was die Ökologie erst 100 Jahre später erreichte. Mit dem Aufkommen des Umweltschutzes, ausgelöst durch die zunehmenden Belastungen der technisch-industriellen Entwicklung, bewirkte sie eine Umstellung in der Ökonomie. Daraus entstand in den 1980er-Jahren die Ökologische Ökonomie, aus der die Nachhaltige Entwicklung als Leitbild für das 21. Jahrhundert hervorging. Zusätzlich wurde Ende der 1960er-Jahre die Bioökonomie (BÖ) konzipiert, die trotz Überschneidungen mit ökologischer und grüner Ökonomie politisches Gewicht gewann. Die Europäische Union beschloss 2007 ein eigenes BÖ-Konzept für wirtschaftliche Innovationen und Bevorzugung biologischer Grundstoffe für die Industrie, vor allem als Energiequellen. In Deutschland wurde 2009 ein Bioökonomierat eingesetzt, der detaillierte Ziele für eine BÖ-Strategie 2030 erarbeitete und 2015 in Berlin den ersten »Global Bioeconomy Summit« veranstaltete. Die Umsetzung der BÖ wird aber durch die nötigen grundsätzlichen Umstellungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik erschwert. Außerdem ist das BÖ-Konzept auch im Umweltschutz nicht unumstritten und wird unterschiedlich diskutiert, insbesondere weil die Erzeugungsmöglichkeiten biologischer Rohstoffe auf der endlichen Landfläche der Erde beschränkt sind und die Nahrung Vorrang erfordert. Zu allen diesen Problemen, insbesondere zu Verständnis und Anwendung von BÖ mit Einbeziehung von Nutzungs- und Schutz-Anforderungen, leistet das Rundgespräch wichtige Beiträge.
Integration von Ökologie und Bioökonomie am Beispiel von Agrarumweltmaßnahmen
Philipp Mennig und Johannes Sauer
S. 17-30, 1 Farb- und 5 Schwarzweißabbildungen
Das Konzept der Bioökonomie gilt als wichtiger Baustein des Übergangs zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise. Primär charakterisiert durch die Hinwendung zu natürlich nachwachsenden Rohstoffen und deren effizienter, innovativer Nutzung, orientiert es sich an Kreisläufen der Natur und knüpft den Ressourcenverbrauch an den Erhalt einer funktionsfähigen Umwelt. Während bereits zu beobachten ist, wie erdölbasierte Produkte durch biologische Alternativen ersetzt werden, stellt die durch die Gewinnung natürlicher Ressourcen insbesondere im landwirtschaftlichen Produktionsprozess entstehende Umweltbelastung nach wie vor ein Problem dar und konterkariert den Nachhaltigkeitsgedanken der Bioökonomie. Aus ökonomischer Sicht ist Marktversagen ursächlich für übermäßige Beeinträchtigungen der natürlichen Umwelt. Als zur Korrektur dienende Instrumente sind seit den frühen 1990er-Jahren u.a. Agrarumweltmaßnahmen fester Bestandteil der europäischen Agrarpolitik. Die Tatsache, dass agrarbedingte Umweltbelastungen nach wie vor besorgniserregende Ausmaße annehmen, lässt allerdings Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahmen aufkommen. Eine mangelhafte Umsetzung der den Maßnahmen zugrunde liegenden ökonomischen Theorie kann als mögliche Ursache für die mangelnde Effektivität vermutet werden. Im vorliegenden Beitrag wird dieser These nachgegangen. Tatsächlich offenbart ein genauer Blick auf Theorie und Maßnahmenimplementierung Nachbesserungsbedarf.
Nachhaltige Forst- und Holzwirtschaft als Basis der Bioökonomie
Gabriele Weber-Blaschke
S. 31-46, 7 Farbabbildungen, 2 Tabellen
Ziel der Bioökonomie ist die Transformation der auf fossilen Ressourcen basierten zu einer biomassebasierten Wirtschaft. Dabei spielt die Forst- und Holzwirtschaft für den Klimaschutz wegen der Vermeidungs- und Senkenleistung hinsichtlich Treibhausgase eine herausragende Rolle. Neben der traditionellen energetischen und stofflichen Nutzung wird die Bioökonomie der Forst- und Holzwirtschaft mit der innovativen Entwicklung von Produkten aus Reststoffen, wie Textilien, Mikrofasern, Biokunststoffen, Kosmetika und chemischen Grundstoffen, assoziiert. Ziel ist es, die nachwachsende, aber nur begrenzt zur Verfügung stehende Ressource Holz effizient und nachhaltig zu nutzen, unter Zuhilfenahme z.B. der Konzepte Kreislaufwirtschaft und Kaskadennutzung. Lebenszyklusanalysen unter Einbeziehung ökologischer, ökonomischer und insbesondere auch gesellschaftlicher Aspekte in Verbindung mit Stoffstromanalysen sind notwendig, um einerseits nachhaltige Produktlinien per se identifizieren zu können, andererseits die Bedürfnisse der Gesellschaft hinsichtlich ihrer Konsum-, aber auch Arbeits- und Lebenswelten auf lokaler, regionaler und globaler Ebene unter Nachhaltigkeitsaspekten berücksichtigen zu können. Es ist hierbei unverzichtbar, auch die traditionellen Nutzungen der biologischen Ressource Holz in die bioökonomische Gesamtbewertung einzubeziehen. Dabei ist als Grundlage der holzbasierten Bioökonomie eine nachhaltige Forstwirtschaft, die das Ökosystem Wald in Gänze bewahrt, unverzichtbar.
Steigerung von Produktivität und Nachhaltigkeit – Die Pflanzenzüchtung kann das
Chris-Carolin Schön
S. 47-58, 6 Farbabbildungen
Die moderne Pflanzenzüchtung erzeugt sehr erfolgreich und mit großer Kontinuität genetisch verbesserte Sorten. Diese Sorten sind hochproduktiv und ressourceneffizient. Die gleichzeitige Verbesserung von Produktivität, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit ist möglich, solange Zuchtziele eindeutig definiert werden können. Aufgrund unterschiedlicher Erwartungen von Landwirten, Verbrauchern oder anderen gesellschaftlichen Gruppen an die genetische Ausstattung von Sorten ergeben sich jedoch teilweise Zielkonflikte. In diesem Beitrag werden beispielhaft die wichtigsten Zuchtziele der Pflanzenzüchtung sowie daraus entstehende Zielkonflikte, z.B. zwischen Produktivität, Wassernutzungs- und Nährstoffeffizienz, aber auch zwischen kurzfristigem Selektionserfolg und langfristigem Erhalt der genetischen Diversität, vorgestellt. Neue Methoden der Phänotypisierung und Genotypisierung, die einen hohen Durchsatz und eine Beschleunigung der Selektion ermöglichen, können dazu beitragen, derartige Zielkonflikte zu lösen. Darüber hinaus können markergestützte Selektion und Genomeditierung künftig dabei helfen, die in den Kulturarten verfügbare genetische Variation optimal zu nutzen und neue Variation zu schaffen.
Bioökonomische Ansätze für ein nachhaltiges Management von wildlebenden Süßwasserfischen
Robert Arlinghaus
S. 59-70, 3 Farb- und 4 Schwarzweißabbildungen, 2 Tabellen
Ökonomische Ansätze haben bisher selten Eingang in Bewirtschaftungsfragen der Binnenfischerei gefunden. Dabei sind sie von fundamentaler Bedeutung sowohl für die Einschätzung der gesellschaftlichen Bedeutung der Binnenfischerei als auch für die Ableitung von nachhaltigen Bewirtschaftungsmaßnahmen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird die Binnenfischerei in Deutschland von der hobbymäßig ausgeübten Angelfischerei dominiert. In Deutschland werden durch die Nachfrage nach dem Angeln und durch die damit verbundenen Ausgabeströme (etwa für Angelgeräte, Reisen, Unterkunft etc.) 5,2 Mrd. Euro pro Jahr generiert, was 52000 Arbeitsplätze schafft. Diese Wertschöpfung ist größer als die, die durch die gesamte sonstige Fischwirtschaft inkl. Fischverarbeitung und -vermarktung in Deutschland geschaffen wird. Diese positiven Potenziale lassen sich durch bio-ökononomische Modelle zur optimalen Bewirtschaftung bestmöglich heben. Gleichzeitig versuchen vor allem Naturschutzakteure, wo möglich, den Zugang zum Angeln einzuschränken, was die Realisierung bio-ökonomischer Potenziale einschränkt. Vergleichende freilandökologische Analysen zeigen, dass die Artenvielfalt und der Naturschutzwert vieler Artengruppen bei anglerisch bewirtschafteten Gewässern ähnlich hoch oder sogar höher (Fische) ist als bei unbewirtschafteten Seen. Für die Zukunft gilt es, 1) anglerische Ziele explizit in das Gewässermanagement zu integrieren, 2) Anglerorganisationen zu stärken und auf Augenhöhe einzubinden, 3) variable Bewirtschaftung zu fördern, 4) die richtigen Entnahmesignale zu setzen und 5) das Monitoring zu verbessern.
Bioökonomie als Chance für die Insektenvielfalt
Wolfgang W. Weisser
S. 71-77, 1 Schwarzweißabbildung
Der Begriff der Bioökonomie lenkt den Blick darauf, dass die Biologie und ihre Gesetzmäßigkeiten am Beginn moderner Wertschöpfungsketten stehen. Hierin liegt auch die größte Herausforderung in Bezug auf die Nachhaltigkeit: Ohne eine Nachhaltigkeit in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion kann Bioökonomie insgesamt nicht nachhaltig sein. Nachhaltigkeit umfasst dabei viele Aspekte, nicht nur die Energieeffizienz oder die CO2-Bilanz, sondern auch die Erhaltung der belebten Umwelt. Wie der aktuell diskutierte Rückgang der Insektenvielfalt zeigt, waren die bisherigen Bemühungen, einen Ausgleich zwischen Produktion und der Erhaltung der Ökosysteme und ihren Leistungen zu erreichen, nicht sehr erfolgreich. Heute werden unter dem Namen der Bioökonomie nicht nur neue Technologien gefördert, sondern auch alte wie etwa die Biomasseverbrennung, die keinesfalls nachhaltig sind. Deshalb muss das Versprechen, dass Produkte aus Biomasse nachhaltiger sind als Produkte aus Erdöl, kritisch geprüft und nachgewiesen werden. Die Bioökonomie kann jedoch eine Chance für die Erhaltung der biologischen Vielfalt sein, wenn die Möglichkeiten der Digitalisierung, Pflanzenzüchtung und technologischen Weiterentwicklung für sie genutzt werden.
Neue Konzepte zur umweltverträglichen Nutzung des Bodens
Sebastian Wolfrum und Johannes Burmeister
S. 79-90, 10 Farbabbildungen
Gesunder Boden, gesunde Pflanze, gesunder Mensch/gesundes Tier. Ein gesunder Boden hat ausgewogene physikalische, chemische und biologische Komponenten, von denen viele bekannt sind, doch in der Praxis kaum beachtet werden. Der Klimawandel mit längeren Trockenperioden und mehr Starkregenereignissen und Erosionsrisiken erfordert eine Neubesinnung auf die Tugenden der Bodenpflege. Hohe Humusgehalte und ein aktives vielfältiges Bodenleben werden zukünftig noch wichtiger für stresstolerante Pflanzenbausysteme und erhalten zusätzlich die Biodiversität. Die dazu nötigen Maßnahmen sind im Grunde bekannt, aber unter den aktuellen Rahmenbedingungen fast nur im ökologischen Landbau betriebsintegriert umgesetzt: vielfältige Fruchtfolgen mit humusmehrenden Kulturen, organische Düngung (v.a. Mist, Kompost), Bodenruhe, ständige Bodenbedeckung, Dauerkulturen, ungenutzte Begleitstrukturen als Rückzugsräume für Bodentiere. Auch angesichts der verstärkten Nachfrage nach biogenen Rohstoffen, auf die die Umsetzung der Bioökonomiekonzepte basiert, sind neue Systeme nötig, wie sie z.B. im Ideal der Permakultur verkörpert sind. Damit sich die Landwirtschaft zu solchen räumlich und zeitlich vielfältigen Nutzungsformen weiterentwickeln kann, bedarf es vielfältiger Wege: 1) Problembewusstsein mithilfe wissenschaftlich fundierter und praxistauglicher Indikatoren schaffen, 2) Honorierung und Motivation z.B. durch die Agrarförderung, 3) bilden, beraten, lernen, am besten gemeinsam mit allen Akteuren.
Welche Biomassepflanzen braucht eine nachhaltige Bioökonomie?
Iris Lewandowski und Moritz von Cossel
S. 91-104, 7 Farbabbildungen, 2 Tabellen
Die Bioökonomie beinhaltet die Produktion aller Güter aus biobasierten und nachwachsenden Rohstoffen. Dieser Beitrag fokussiert auf Biomassepflanzen, die für die stoffliche und energetische Nutzung angebaut werden, sowie auf diejenigen Ökosystemdienstleistungen, die nicht mit der landwirtschaftlichen Produktionsfunktion abgedeckt sind. Heutige Industrie- und Energiepflanzen sind im Wesentlichen einjährige, bisher als Nahrungs- oder Futtermittelpflanzen genutzte Kulturen. Biomassepflanzen der Zukunft sollten demgegenüber toleranter gegenüber biotischem und abiotischem Stress sein, effizienter in der Nutzung von Wasser, Nährstoffen und Land sein, Ökosystemdienstleistungen erbringen können, diverser sein und eine Mehrfach- und integrierte Nutzung der Biomasse erlauben. Insbesondere unter Bedingungen des Klimawandels ist davon auszugehen, dass marginale landwirtschaftliche Flächen, die sich durch bio-physikalische Anbaulimitierungen wie z.B. Trockenheit und Versalzung auszeichnen, noch weiter zunehmen werden. Zukünftige Biomassepflanzen müssen auf solchen Standorten gedeihen und gleichzeitig zur Erhaltung oder sogar Erhöhung ihrer Resilienz beitragen können. Dies wird sehr gut von mehrjährigen Anbausystemen wie Miscanthus, Durchwachsener Silphie und mehrjährigen Wildpflanzenmischungen erfüllt. Sie können helfen, Bodenerosion zu vermindern und die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern sowie, insbesondere im Falle der Wildpflanzenmischungen, die Biodiversität zu erhöhen. Ihre Produktion und Vorteile können sowohl auf Landschafts- als auch auf Betriebsebene integriert werden, z.B. durch ihren Anbau auf marginalen Agrarflächen und ungünstig gelegenen Betriebsflächen oder auf ökologischen Vorrangflächen. So kann Biomasse für eine wachsende Bioökonomie bereitgestellt werden, ohne dass es zu Zielkonflikten mit sozial-ökologischen Anforderungen kommt.
Digitale teilflächenspezifische Stickstoffdüngung – eine ökonomisch-ökologische Perspektive
Markus Gandorfer
S. 105-114, 1 Farb- und 1 Schwarzweißabbildung, 1 Tabelle
Ansätze zur teilflächenspezifischen Stickstoffdüngung werden seit mehr als 20 Jahren erforscht und entwickelt und sind seit vielen Jahren praxisverfügbar. Dabei wird zwischen sogenannten Mapping-Ansätzen, die auf der Verwendung historischer Informationen beruhen, und Online-Ansätzen, bei denen der Bedarf während der Düngung über Sensoren ermittelt wird, sowie einer Kombination der beiden Ansätze unterschieden. Die Erwartungen an die teilflächenspezifische Stickstoffdüngung sind hoch. Sie soll beispielsweise zur Steigerung der Stickstoffeffizienz führen und damit auch ökologische und ökonomische Vorteile bieten. Dennoch bleibt der tatsächliche Praxiseinsatz der Technologie insbesondere in kleinstrukturierten Agrarregionen hinter den Erwartungen zurück. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Studien bestätigen zwar die ökologischen Vorteile der Ansätze, aus ökonomischer Sicht sind die Effekte jedoch oftmals begrenzt. Dies liegt insbesondere am flachen Verlauf teilflächenspezifischer Stickstoff-Produktionsfunktionen im Bereich des ökonomischen Optimums. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht besteht damit die Herausforderung darin, die Flächen zu identifizieren, die ein hohes ökonomisches Potenzial für eine teilflächenspezifische Stickstoffdüngung aufweisen. Zusätzlich ist festzustellen, dass die Anwenderfreundlichkeit oftmals Optimierungspotenzial aufweist, was beispielsweise durch verbesserte Düngealgorithmen erreicht werden könnte.
Schutz und Nutzung von Natur und Landschaft
im Kontext der Bioökonomie – (k)ein Schritt vorwärts?
Beate Jessel
S. 115-128, 2 Farb- und 1 Schwarzweißabbildung
Das notwendige Verständnis von Bioökonomie geht über bloße mit der Biomasseproduktion verbundene Fragen hinaus. Es sollte unter dem Nachhaltigkeitspostulat neben der Ressourcennutzung auch Aspekte des Naturschutzes sowie mögliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen integrieren. In diesem Sinne handelt es sich bei der Bioökonomie um ein Konzept, das einer kontinuierlichen Entwicklung unterliegt und dessen Grenzen mit Blick auf Chancen und Risiken im Rahmen eines gesellschaftlichen Diskurses fortlaufend verhandelt werden müssen. Die Gestaltung einer ökologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich tragfähigen Bioökonomie schließt Aspekte der Produktion genauso ein wie Forschung und Entwicklung, die Einhaltung von Belastungsgrenzen und gesellschaftliche Beteiligungsformen. Davon ausgehend beleuchtet der Beitrag drei Themenkomplexe: Zunächst die produzierenden Sektoren der Forst- und Landwirtschaft, die trotz Intensivierung und technologischem Fortschritt kein unbegrenztes Wachstum ermöglichen werden können, da u.a. die Produktionsgrundlage »Land« nicht endlos verfügbar ist sowie einhergehende Landschaftsveränderungen und der Verlust von Biodiversität kritisch zu bewerten sind. Zweitens gentechnische Anwendungen und Neuerungen, die aktuell gleichfalls eine Intensivierung der Landwirtschaft befördern und damit bestehende Probleme mit entsprechenden Folgen für Biodiversität und Klima verstärken. Und drittens Chancen der Bioökonomie durch technologische Innovationen, die die gesamte Wertschöpfungskette umfassen, die industrielle Nutzung und Verarbeitung von Biomasse gleichermaßen wie die Nutzung von biologischem Wissen z.B. für die Entwicklung neuer Technologien und Verfahren für die Produktion und Verarbeitung biobasierter Produkte.
Bioökonomie umfasst alle Wirtschaftssektoren, deren Produktionsprozesse wesentlich auf der Nutzung biologischer Ressourcen, wie Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen, beruhen. Land- und Forstwirtschaft, die Nahrungsmittelindustrie, aber auch Teile der Chemie-, Energie-, Pharmazie-, Kosmetik- und Textilindustrie gehören zur Bioökonomie. Mit dem Begriff verbunden sind Wirtschaftsweisen, die wissensbasiert, innovativ und nachhaltig sind, aber auch einer rasch verlaufenden technischen Entwicklung unterliegen.
In dem vorliegenden Berichtsband steht die Frage im Vordergrund, wie die Kulturlandschaft multifunktional und nachhaltig genutzt werden kann, wenn der Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen durch die Umsetzung der Bioökonomiestrategien weiter steigt. Wie lassen sich die verschiedenen Ansprüche an die Fläche, vom Naturschutz über die Herstellung von Lebens- und Futtermittel bis zur intensiven Produktion von Pflanzen zur stofflichen und energetischen Nutzung, in Einklang bringen? Das Konfliktpotenzial zwischen Ökologie und Bioökonomie, aber auch positive Entwicklungen in Bezug auf ökologische Probleme werden dabei aufgezeigt. So können mehrjährige Anbausysteme von Biomassepflanzen die Bodenerosion vermindern, die Bodenfruchtbarkeit verbessern und die Biodiversität erhöhen und neue Technologien in der Pflanzenzüchtung können zur Entwicklung ertragreicher, wassernutzungs- und nährstoffeffizienter Sorten beitragen. Darüber hinaus bieten bioökonomische Konzepte die Chance, neue Nachhaltigkeits- und Wertschöpfungsmodelle umzusetzen.
Weitere Kapitel des Buches beschäftigen sich mit innovativen Produkten und Nutzungskonzepten von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft, mit nachhaltiger Binnenfischerei, mit einer umweltgerechten Bodennutzung sowie mit der teilflächenspezifischen Stickstoffdüngung, die zur Vermeidung von Umweltbelastungen beiträgt. Allem voran stehen eine grundlegende Einführung in das Thema »Ökologie und Bioökonomie« und ein umfassender Beitrag über Agrarumweltmaßnahmen als Bestandteil der europäischen Agrarpolitik und über mögliche Ursachen für ihre mangelnde Wirksamkeit aus ökonomischer Sicht.
Unser Dank gilt allen, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben. Besonders danken wir den Referentinnen und Referenten des Rundgesprächs »Ökologie und Bioökonomie« für ihre Vorträge und die anschließende Ausarbeitung der schriftlichen Beiträge, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Forums Ökologie, Frau Claudia Deigele, für die Erstellung der Transkripte und die umfangreichen Redaktionsarbeiten und Herrn Hubert Hilpert für die fachkundige Betreuung des Bandes im Verlag Dr. Friedrich Pfeil.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine anregende und informative Lektüre.
München, im Dezember 2019
Ingrid Kögel-Knabner, Susanne S. Renner
Verzeichnis der Vortragenden (*) und der Diskussionsteilnehmer am Rundgespräch
* Arlinghaus, Robert, Prof. Dr., Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Abteilung für Biologie und Ökologie der Fische, Berlin
Auer, Veronika, Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH), M. Eng. (Holztechnik), Technische Hochschule Rosenheim, Zentrum für Forschung, Entwicklung und Transfer, Arbeitsgruppe Holzbasierte Bioökonomie, Rosenheim
Ewald, Jörg, Prof. Dr., Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Fakultät Wald und Forstwirtschaft, Freising
Fischer, Anton, Prof. Dr., Aßling
* Gandorfer, Markus, Priv.-Doz. Dr., Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Landtechnik und Tierhaltung, Ruhstorf a.d. Rott
Geist, Jürgen, Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie, Freising
Gindert, Elfriede, Gemeinderat Markt Schwaben
* Haber, Wolfgang, Prof. em. Dr. Dr. h.c., Technische Universität München, Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie, Freising
Haszprunar, Gerhard, Prof. Dr., Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns, Zoologische Staatssammlung München, München
Herrmann, Bernd, Prof. Dr., Hardegsen
Höllmann, Thomas O., Prof. Dr. phil., Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Alfons-Goppel-Straße 11, 80539 München
Hoppe, Brigitte, Prof. Dr. phil. nat., München
* Jessel, Beate, Prof. Dr., Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Bonn
Kellermann, Adolf, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Pflanzenzüchtung, Freising
Kögel-Knabner, Ingrid, Prof. Dr. Dr. h.c., Technische Universität München, Lehrstuhl für Bodenkunde, Freising
Künast, Christoph, Prof. Dr., ECO-System Consulting, Otterstadt
* Lewandowski, Iris, Prof. Dr., Universität Hohenheim, Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen (340b), Stuttgart
Matern, Mine, Prof. Dr. Dr. habil., Sachverständige für Lebensmittel, München
Mosandl, Reinhard, Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Waldbau, Freising
Mosbrugger, Volker, Prof. Dr. Dr. h.c., Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt
Renner, Susanne S., Prof. Dr., Ludwig-Maximilians-Universität München, Lehrstuhl für Systematische Botanik und Mykologie, München
Richter, Klaus, Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Holzwissenschaft, München
* Sauer, Johannes, Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie, Freising
* Schön, Chris-Carolin, Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung, Freising
Schwair, Ulrich, Dr., München
Stöcklein, Bernd, Prof. Dr., Landshut
Wackerbauer, Johann, Dr. oec. publ., ifo Institut, ifo Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen, München
* Weber-Blaschke, Gabriele, Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Holzwissenschaft, Forschungsbereich Stoffstrommanagement, Freising
* Weisser, Wolfgang W., Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie, Freising
* Wolfrum, Sebastian, Dipl.-Ing. Univ. Landschaftsarchitektur und -planung, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz (IAB); Freising
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