Bayerische Akademie der Wissenschaften (Herausgeber)
Die unbekannt Welt der Mikrobiome
Rundgespräche Forum Ökologie Bd. 47
Rundgespräch am 10. April 2018 in München
2019. [Deutsch] – 144 Seiten, 51 überwiegend farbige Abbildungen, 3 Tabellen.
24 x 17 cm. Paperback
ISBN: 978-3-89937-239-7
Reihe: Rundgespräche Forum Ökologie
Organisatorin:
Prof. Dr. med.vet. Johann Bauer
Prof. Dr. med. Erika von Mutius
Vorwort 5
Begrüßung durch den Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 7
Begrüßung durch die Vorsitzende des Forums Ökologie 9
Johann Bauer: Die unbekannte Welt der Mikrobiome. Einführung in das Rundgespräch 11
Michael Wagner: Mikrobiome – Wissensstand und Perspektiven 17
Diskussion 28
Rudolf Amann: Das Frühjahrsmikrobiom der südlichen Nordsee: Bacterioplankton-Sukzessionen und bakterielle Polysaccharidverwertung in einem Küstenmeer 31
Diskussion 42
Tillmann Lüders: Aquatische Mikrobiome und ihre Bedeutung für die Wasserqualität 45
Diskussion 56
Michael Schloter: Mikrobiome als Katalysatoren von Ökosystemdienstleistungen des Bodens 57
Diskussion 69
Gabriele Berg: Pflanzenmikrobiome: verborgene Netzwerke für die Gesundheit 71
Diskussion 79
Thomas Clavel: Das Darmmikrobiom von Tieren: Warum Mäuse und Schweine sich um ihr Mikrobiom Sorgen machen sollten 81
Diskussion 89
Charles James Newbold and Eva Ramos-Morales: Microbiome of the rumen 91
Diskussion 100
Dirk Haller: Mikrobiom-Signaturen und ihre funktionale Bedeutung in der Medizin 101
Diskussion 109
Simone Herp und Bärbel Stecher: Minimalismus: Wie uns einfache Modellsysteme helfen, Funktionen des Darmmikrobioms zu verstehen 111
Diskussion 119
Erika von Mutius: Die Rolle des Umweltmikrobioms in der Asthma- und Allergieentstehung 121
Diskussion 129
Zusammenfassung des Rundgesprächs 131
Verzeichnis der Organismen (gruppen) 135
Schlagwortverzeichnis 138
Verzeichnis der Vortragenden und Diskussionsteilnehmer am Rundgespräch 143
Bauer 11-15 3SW: ohne Abstract
Mikrobiome – Wissensstand und Perspektiven
Michael Wagner
17-27 6F 1T
Wir leben auf einem mikrobiellen Planeten. Archaeen und Bakterien waren die ersten Lebewesen auf der Erde und haben diese über hunderte Millionen Jahre alleine bewohnt. Die Biodiversität dieser mikroskopisch kleinen Organismen übersteigt bei weitem die aller anderer Organismengruppen und ohne ihre Aktivität gäbe es kein Leben auf der Erde. Alle Ökosysteme, Pflanzen, Tiere und der Mensch, sind von Mikrobengemeinschaften besiedelt, deren Erforschung sich die Mikrobiomforschung zum Ziel gesetzt hat. Die Verwendung molekularer Methoden, von der 16S-rRNS-Genanalyse zu Meta-Omics-Technologien, hat unser Verständnis des Stammbaums des Lebens dabei grundlegend verändert. In den letzten Jahren entwickelte Einzelzellmethoden wie die Raman-Mikrospektroskopie zur In-situ-Funktionsanalyse von Mikroben in ihren natürlichen Ökosystemen haben unerwartete Einblicke z.B. in den biogeochemischen Stickstoffkreislauf ermöglicht. So können Nitrifizierer neben Harnstoff, Ammonium und Nitrit auch andere, unerwartete Substrate umsetzen und Nitritoxidierer können überraschenderweise die Nitrifizierung initiieren. Die von meiner Arbeitsgruppe neu entdeckten vollständigen Nitrifizierer (Comammox) wiederum wandeln Ammonium direkt in Nitrat um. Welchen Beitrag Comammox-Mikroben in der Umwelt an der Nitrifizierung haben und wie verbreitet sie sind, versuchen wir gerade erst zu verstehen.
Das Frühjahrsmikrobiom der südlichen Nordsee:
Bacterioplankton-Sukzessionen
und bakterielle Polysaccharidverwertung
in einem Küstenmeer
Rudolf Amann
3141 6F 1SW
Mikroorganismen sind im Meer als zentrale Katalysatoren wichtiger biogeochemischer Kreisläufe unverzichtbar. So wird ein Großteil des durch Photosynthese in Mikroalgen fixierten Kohlendioxids bei deren Absterben durch heterotrophe Bakterien wieder freigesetzt. Die Wechselwirkungen von Phytoplankton und Bacterioplankton sind dabei komplex. Wir untersuchen seit vielen Jahren mit Kultivierung und kultivierungsunabhängigen Methoden das Mikrobiom der Deutschen Bucht in der südlichen Nordsee. Die vergleichende Sequenzierung phylogenetischer Marker, wie der 16S-rRNA-Gene, detektiert Tausende von Bakterienarten. Durch Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung und Metagenomsequenzierung konnten wir im Mikrobiom eine substratgetriebene Sukzession von Bakterien aus den Gruppen der Bacteroidetes und Gammaproteobacteria zeigen, die jedes Jahr vom Zusammenbruch der Frühjahrsalgenblüte induziert wird und sehr schnell die vor allem aus Polysacchariden bestehende Biomasse abbaut. Bei der Analyse der Bacteroidetes-Genome identifizierten wir polysaccharide utilization loci (PULs), die für die Bindung, den Transport und den Abbau von Polysacchariden, wie dem Laminarin, dem Speicherstoff der Diatomeen, kodieren. Vergleichende Genom- und Metagenomstudien zeigen jetzt, dass es einige wenige Arten von Bacteroidetes mit klar definierten PULs gibt, die sich auf die effiziente Verwertung der häufigen Algenpolysaccharide spezialisiert haben und deren Auftreten deterministischen Mustern folgt, wie wir sie auch aus Darmmikrobiomen kennen.
Aquatische Mikrobiome
und ihre Bedeutung für die Wasserqualität
Tillmann Lüders
4556 7F 1SW
Aquatische Mikrobiome leisten entscheidende Beiträge zur Regulierung der Süßwasserqualität, indem sie Nährstoffe umsetzen und Schadstoffe abbauen. Für unsere Trinkwasserversorgung und auch als Ressource ist insbesondere das Grundwasser von erheblicher Bedeutung. Die systematische Erforschung des Grundwassers als mikrobielles Habitat hat erst vor wenigen Jahren begonnen. Für aktuelle Probleme der Trinkwasserversorgung, wie z.B. die zunehmende Nitratbelastung und die Ausbreitung von Mikroschadstoffen, bietet ein besseres mikrobiologisches Prozessverständnis wichtige Lösungsansätze. Auch an stark mit Kohlenwasserstoffen belasteten Altlasten-Standorten hat die Umweltmikrobiologie überraschende neue Einblicke in die Steuerung von Abbauprozessen und die daran beteiligten anaeroben Mikrobiome ermöglicht. So können z.B. Kabelbakterien Redoxprozesse am Rand von Schadstofffahnen über »long-distance electron transfer« räumlich entkoppeln und so zentrale Reaktionslimitierungen umgehen. Zudem untersuchen wir seit einigen Jahren massive Biofilme im Stollen einer ehemaligen Jodheilquelle. Hier zeigt sich, dass auch der oberflächennahe terrestrische Untergrund – analog zu den heißen Schloten der Tiefsee – rein auf mikrobieller Autotrophie basierende und überraschend komplexe Lebensgemeinschaften aufweisen kann. Zusammenfassend wird die außerordentliche Bedeutung des Verständnisses aquatischer Mikrobiome für den vorsorgenden Schutz und die nachhaltige Nutzung unserer Grund- und Trinkwasserressourcen dargelegt.
Mikrobiome als Katalysatoren
von Ökosystemdienstleistungen
des Bodens
Michael Schloter
5768 7F
Das Mikrobiom von Böden spielt als Katalysator bedeutender Ökosystemdienstleistungen eine wichtige Rolle. Neben der direkten Unterstützung des Pflanzenwachstums sind das vor allem die Strukturbildung von Böden, die Kohlenstoffsequestrierung und der Abbau von Schadstoffen. Eine weitere Motivation, das Bodenmikrobiom besser zu verstehen, liegt darin begründet, dass in Böden auch eine Reihe humanpathogener Mikroorganismen überleben und sich ggf. vermehren können. Das genetische Potenzial von Böden erscheint durch die enorme Diversität des Bodenmikrobioms und die damit verbundene funktionelle Redundanz oftmals relativ stabil. Landwirtschaftliches Management beeinflusst daher selten das im Boden vorhandene Potenzial für einen bestimmten Prozess, jedoch die Expression einzelner Enzyme, wie anhand des Phosphorzyklus, der Bildung von Exo- und Lipopolysacchariden und des anaeroben Alkanabbaus gezeigt wird. Um die Regulierung der Genaktivierung im Boden besser zu verstehen und damit gezielte Managementstrategien für die Zukunft ableiten zu können, müssen allerdings räumlich wie zeitlich viel kleinere Skalen betrachtet werden, als dies bisher der Fall ist. Wir müssen lernen zu verstehen, wie sich räumliche Heterogenitäten auf der µm- bis mm-Skala bilden und mit welcher zeitlichen Dynamik sich diese wieder ändern.
Pflanzenmikrobiome:
verborgene Netzwerke für die Gesundheit
Gabriele Berg
7178 6F
Die Mikrobiomforschung deckte nicht nur eine immense Vielfalt von Mikroorganismen an und in Pflanzen auf, sondern revolutionierte auch die Sichtweise auf die Pflanze selbst. Pflanzen werden nun als Metaorganismen oder Holobionten gesehen. Sie bilden eine strukturelle und funktionelle Einheit mit ihrem Mikrobiom, die sich im Lauf der Evolution entwickelt hat. Viele dieser Mikroorganismen haben wichtige Funktionen, z.B. fördern sie die Pflanzengesundheit und das Pflanzenwachstum oder beeinflussen die Qualität hinsichtlich der menschlichen Ernährung. Die Übertragung des Mikrobioms über Generationen (vertikaler Transfer) wurde erst in den letzten Jahren entdeckt. Samen dienen hierfür als Transportmittel insbesondere von Mikroorganismen mit positiver Interaktion mit der Pflanze. Jeder Pflanzensame beherbergt ein spezifisches Kern-Mikrobiom, welches sich durch Ko-Evolution entwickelt hat. Bei Kulturpflanzen wurde das Mikrobiom im Laufe der Züchtung signifikant verändert, wodurch im Vergleich zu den Wildpflanzen viel von seiner natürlichen Diversität verloren gegangen ist. Diese neuen Erkenntnisse haben einen wichtigen Einfluss auf verschiedene Praxisaspekte. So könnte die Anfälligkeit von Nutzpflanzen gegenüber landwirtschaftlich bedeutenden Phytopathogenen gesenkt werden, wenn das Pflanzenmikrobiom in Züchtungsstrategien berücksichtigt wird. Auch unsere Gesundheit ist eng mit der mikrobiellen Diversität in Pflanzen verbunden. Deshalb sollten neue Strategien konzipiert werden, die die pflanzenassoziierte mikrobielle Diversität schützen und erhalten.
Das Darmmikrobiom von Tieren:
Warum Mäuse und Schweine sich um ihr
Mikrobiom Sorgen machen sollten
Thomas Clavel
8188 2F
Das Darmmikrobiom ist nicht nur bei Menschen, sondern auch bei allen anderen Säugetieren u.a. für die Stimulierung des Immunsystems, den Abbau von Nahrungsbestandteilen und den Schutz gegenüber Infektionserregern von großer Bedeutung. In der biomedizinischen Forschung ermöglichen Tiermodelle wie Maus und Schwein präzise mechanistische Studien zur Aufklärung von Mikroben-Wirt-Interaktionen. Die Forschungsergebnisse können stark von der Art der Kolonisierung im Darm abhängen und in der Tierzucht kann das Mikrobiom das Wachstum der Tiere beeinflussen. Zwei gute Gründe, weshalb auch Mäuse und Schweine sich um ihr Mikrobiom Sorgen machen könnten. Der überwiegende Anteil der Vielfalt an Darmbakterien bei Mäusen und Schweinen ist derzeit noch unbekannt. Wir haben daher über klassische Kultivierungsmethoden das Darmmikrobiom von Mäusen intensiv untersucht und konnten u.a. 15 neue Arten in der Sammlung Mouse Intestinal Bacterial Collection (miBC) hinterlegen. Trotz zahlreicher Vorteile von Mausmodellen, die einen erfolgreichen Einsatz in der Forschung ermöglichen, unterscheiden sich Mäuse in ihrer Darmphysiologie und Ernährungsweise relativ stark von Menschen. Modelle mit Schweinen sind z.B. für die Erforschung von komplexen und langwierigen Erkrankungen wie dem Dickdarmkrebs geeigneter. Wir interessieren uns dabei besonders für die Rolle gallensäureabbauender Bakterien und arbeiten dazu an einem neuen Erkrankungsmodell beim Schwein. Die Herstellung und Anwendung gezielter Mischungen von definierten bakteriellen Isolaten (»Minimal-Mikrobiome«) könnte in der nahen Zukunft nicht nur klinisch, sondern auch agrarwissenschaftlich, z.B. in der Tierhaltung, von großer Bedeutung werden.
ACHTUNG! Folgender Beitrag ist englisch.
Das Mikrobiom des Pansens
Charles James Newbold and Eva Ramos-Morales
9199 2F 1SW 1T
Der Pansen spielt eine zentrale Rolle bei der Umwandlung von nicht direkt für den Menschen zur Ernährung nutzbarer pflanzlicher Ressourcen, speziell der Cellulose. In den letzten Jahren wurden erhebliche Fortschritte bei der Kultivierung und Charakterisierung von Bakterien und Archaeen aus dem Pansen erzielt, und molekulare Methoden ermöglichen sowohl quantitative als auch qualitative Untersuchungen des Pansenmikrobioms. Obwohl bis heute die Anzucht von Protozoen aus dem Pansen in Reinkultur nicht möglich ist, ist es über Klonierung und Genexpression in Phagen gelungen, die Gene einer Reihe ciliärer Protozoen zu charakterisieren. Dennoch ist unser Wissen über die Bedeutung und die Stoffwechselaktivität des Pansenmikrobioms nach wie vor rudimentär. Das Mikrobiom des Pansens wird in erster Linie durch die von Wiederkäuern aufgenommene Nahrung beeinflusst. Aufgrund ihrer antimikrobiellen Wirkung haben Pflanzenextrakte und sekundäre Pflanzenstoffe wie Saponine, ätherische Öle und Polyphenole das Potenzial, über geänderte Fermentationsprozesse im Pansen die Emission klimawirksamer Gase zu verringern oder die Effizienz der Stickstoffnutzung zu steigern. Darüber hinaus beeinflusst sehr wahrscheinlich das Tier selbst das Mikrobiom des Pansens, sowohl über Vererbung als auch über den Einfluss der Ernährung während der ersten Lebenszeit auf die Struktur und Funktion mikrobieller Populationen im Pansen der adulten Tiere. Erweiterte Studien, die nicht nur die Art der Mikroben, sondern auch die funktionellen Gene (Metagenomik) und ihre Expression (Metatranskriptomik) im Pansen berücksichtigen, sind vielversprechende Ansätze zur Gewinnung neuer Erkenntnisse über die Bedeutung des Pansens und die Möglichkeit, sein Mikrobiom zum Nutzen der Menschheit zu verändern.
Mikrobiom-Signaturen und ihre
funktionale Bedeutung in der Medizin
Dirk Haller
101108 1SW 1T
Forschungsarbeiten der letzten Jahre unterstützen die Hypothese, dass das Darmmikrobiom einen fundamentalen Einfluss auf die Gesundheit des Menschen hat. Hochdurchsatzanalysen erlauben es, das intestinale Ökosystem des Menschen, das Darmmikrobiom, auf molekularer Ebene zu beschreiben, wobei die Interpretation der Daten sowohl durch Unterschiede in den methodischen Ansätzen als auch durch die individuelle Variabilität der Probanden (Lebensstil, Ernährung, Erkrankungen, Medikamente) erschwert wird. Unterschiede im Mikrobiom von Patienten und Kontrollgruppen wurden zwar für eine Vielzahl an Erkrankungen gezeigt (oft als Dysbiose definiert), die Kausalität dieser Änderungen mit Blick auf die Erkrankungsgenese ist jedoch nur selten geklärt. Angesichts einer enormen individuellen Heterogenität birgt schon die Auswahl adäquater Kontrollen ein grundlegendes Problem. Prospektive Kohorten und longitudinale Probennahmen sind nur selten etabliert, sodass die therapeutische und diagnostische Nutzung von Mikrobiom-Signaturen noch spekulativ ist. Der Darm mit seiner großen und vielseitigen Oberfläche spielt eine wichtige Rolle zur Entschlüsselung der Kommunikation zwischen komplexen Mikrobiomen und ihrem Wirt. Zur funktionalen Charakterisierung von Mikrobiom-Signaturen sind jedoch geeignete Modellsysteme (z.B. keimfreie Tiermodelle) und die Verfügbarkeit von kultivierten Bakterienstämmen nötig. In dem Beitrag werden die möglichen Chancen und die derzeitigen Grenzen für die klinische Nutzbarkeit von Mikrobiom-Signaturen am Beispiel von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen vorgestellt.
Microbiome signatures and their functional meaning in medicine
Dirk Haller
101108 1SW 1T
Recent studies show that the gut microbiome fundamentally influences human health. High-throughput analyses now make it possible to describe the human intestinal ecosystem, the gut microbiome, at the molecular level. However, differences in the methodical approaches and the natural variation among trial participants in lifestyle, nutrition, health and medication complicate the interpretation of the data. Although for many diseases patients and a healthy control group show defined differences (referred to as dysbiosis), the causal link between changes in the gut microbiome and the origin of disease is seldom established. In view of the large individual variation, even the selection of an adequate control group is a basic problem. Prospective cohort studies and longitudinal samplings are seldom established, reducing the therapeutic and diagnostic utility of microbiome signatures. In order to understand the communication between complex microbiomes and their host, the gut with its large and versatile wall is of great importance. A key will be suitable model systems, namely gnotobiotic animal models, and available cultivated bacterial strains to characterize microbiome signatures functionally. The clinical utility of microbiome signatures is illustrated in this paper using the example of inflammatory bowel disease.
Minimalismus:
Wie uns einfache Modellsysteme helfen, Funktionen des Darmmikrobioms
zu verstehen
Simone Herp und Bärbel Stecher
111118 4F
Der Magen-Darm-Trakt eines gesunden Menschen ist von einer komplexen Gemeinschaft von Bakterien, die Mikrobiota, besiedelt. Diese ist essenziell für die Entwicklung eines intakten Immunsystems, die Synthese von Vitaminen und anderer Metaboliten sowie für den Aufschluss unverdaulicher Nahrungsbestandteile. Zusätzlich schützt uns die Mikrobiota vor bakteriellen Infektionen z.B. durch Salmonellen, Clostridium difficile oder pathogenen E. coli (Kolonisierungsresistenz). Durch vergleichende Mikrobiomstudien von gesunden Individuen und solchen, die anfällig für Infektionen sind, können Bakterien identifiziert werden, die mit Protektion assoziiert sind. Um einen kausalen Zusammenhang zwischen diesen Bakterienspezies und dem Infektionsschutz zu erforschen, haben wir ein gnotobiotisches Mausmodell entwickelt (»gnotos«, griech. = bekannt) und keimfreie Mäuse mit einem Konsortium aus 12 Bakterien besiedelt, welche die Zusammensetzung der Mausmikrobiota repräsentieren. Die einzelnen Bakterien sind kultivierbar und können in in-vitro-Studien genau charakterisiert werden. Diese »Modell-Mikrobiota« ermöglicht es, den Einfluss einzelner Organismen auf die unterschiedlichsten Krankheitsmodelle zu testen und protektive Mechanismen abzuleiten. So bietet E. coli im Zusammenspiel mit diesem Konsortium einen Schutz gegen Salmonella enterica serovar Typhimurium. Bei Infektionen mit Clostridium difficile wirkt Clostridium scindens protektiv, ein Bakterium, das sekundäre Gallensäuren bilden kann.
Die Rolle des Umweltmikrobioms
in der Asthma- und Allergieentstehung
Erika von Mutius
121128 3F 1SW
Asthma und allergische Erkrankungen finden sich viel seltener bei Kindern, die auf einem traditionellen Bauernhof aufwachsen, als bei Kindern, die zwar am selben Ort, jedoch nicht auf einem Hof leben. Ein Grund für diesen Schutz stellt der Aufenthalt der Kinder in einem Kuhstall dar, der mit einer Exposition zu zahlreichen Mikroorganismen einhergeht. Dieser Schutz beginnt schon ganz früh im Leben, wenn die Kinder in den Kuhstall mitgenommen werden. Unter solchen Umständen verringert sich die Entwicklung von asthmatischen Beschwerden dosisabhängig um mehr als die Hälfte im Vergleich zu nicht exponierten Kindern. In der Folge haben wir zeigen können, dass tatsächlich die Diversität des Umweltmikrobioms den Schutz vor Asthma vermittelt. Welche Faktoren es im Umweltmikrobiom sind, die dafür letztendlich verantwortlich sind, können wir derzeit nicht mit Sicherheit sagen, es steht jedoch fest, dass es sich nicht um einen einzelnen Keim, sondern am ehesten um einen »mikrobiellen Cocktail« handelt. Wie genau dieser zusammengesetzt sein muss, um wirksam zu sein, müssen weitere Studien an Labormodellen untersuchen. Wir wissen aber, dass das Umweltmikrobiom das menschliche Mikrobiom in Nase und Rachen verändert und dass die umweltbedingten Veränderungen des Nasenmikrobioms zum Schutz vor Asthma beitragen.
Hoch divers und unverzichtbar: Mikroorganismen sind tragende Säulen des Lebens auf der Erde. Im Laufe von Milliarden von Jahren sind sie in jede nur erreichbare Nische unseres Planeten eingedrungen und beeinflussten Ozeane und Atmosphäre, sodass mehrzelliges Leben möglich wurde. Erst in den letzten Jahrzehnten ist es mithilfe moderner Techniken gelungen, tiefer in den Mikrokosmos einzudringen und die Diversität mikrobieller Gemeinschaften (z.B. von Bakterien, Archaeen, Pilzen und Protozoen) unterschiedlicher Habitate (Wasser, Boden, Pflanze, Tier, Mensch) zu analysieren. Dabei kristallisiert sich nach und nach die fundamentale Bedeutung der Mikrobiome für das jeweilige Ökosystem bzw. den jeweiligen Wirt heraus. Bei Vertebraten spielen Mikrobiome beispielsweise eine tragende Rolle beim Aufschluss der Nahrung, beim Wachstum oder bei der Entwicklung von Organen, bei der Reifung des Immunsystems und bei der Abwehr pathogener Mikroorganismen.
In dem vorliegenden Buch geben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Einblick in ihre Forschungsarbeiten und bringen uns so die spannende Welt mikrobieller Lebensgemeinschaften nahe. Sie stellen die immens hohe mikrobielle Diversität vor und richten dabei den Fokus auch auf deren funktionale Bedeutung im jeweiligen Habitat bzw. Wirt sowie auf ihre Rolle bei wichtigen ökologischen oder medizinischen Themen. Die Freisetzung von CO2 durch Meeresmikroben, die sich von Algen ernähren, oder von anderen klimawirksamen Gasen aus dem Pansen von Wiederkäuern wird ebenso angesprochen wie die Bedeutung des Mikrobioms beim Abbau von Schadstofffahnen in Grundwasserleitern und im Boden; das Mikrobiom, das die Pflanzengesundheit stärkt, ebenso wie das künstliche Minimal-Mikrobiom, das uns Menschen vor Infektionen schützen soll, oder das Umweltmikrobiom, das eine Rolle bei der Entstehung von Asthma und Allergien spielt.
Der vorliegende Band enthält die überarbeiteten Vorträge und Diskussionen der Fachtagung »Unbekannte Welt der Mikrobiome« im April 2018, ergänzt mit einer Zusammenfassung und zwei Registern.
Unser Dank gilt allen, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben. Besonders danken wir den Referentinnen und Referenten des Rundgesprächs für ihre Vorträge und die anschließende Ausarbeitung der schriftlichen Beiträge, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Forums Ökologie, Frau Claudia Deigele, für die Erstellung der Transkripte und die umfangreichen Redaktionsarbeiten und Herrn Hubert Hilpert, der den Band im Verlag Dr. Friedrich Pfeil fachkundig betreut hat.
München, im Dezember 2018
Johann Bauer, Erika von Mutius (Organisatoren des Rundgesprächs)
Susanne S. Renner (Vorsitzende des Forums Ökologie)
Verzeichnis der Vortragenden (*) und der Diskussionsteilnehmer am Rundgespräch
* Amann, Rudolf, Prof. Dr., Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Abteilung Molekulare Ökologie, Bremen
* Bauer, Johann, Prof. i.R. Dr. med.vet. Dr. h.c., Technische Universität München, Lehrstuhl für Tierhygiene, Freising
* Berg, Gabriele, Prof. Dr., Technische Universität Graz, Institut für Umweltbiotechnologie, Graz, Österreich
* Clavel, Thomas, Prof. Dr., Uniklinik RWTH Aachen, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Aachen
Freier, Korbinian, Dr., Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg
Gebauer, Gerhard, Prof. Dr., Universität Bayreuth, Labor für Isotopen-Biogeochemie, BayCEER,
Grill, Erwin, Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Botanik, Freising
Gschlößl, Tanja, Prof. Dr., Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Referat 76: Klimapolitik, Klimaforschung, München.
* Haller, Dirk, Prof. Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie, ZIEL Institute for Food & Health, Freising
Höllmann, Thomas O., Prof. Dr. phil., Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München
Hölzel, Christina, Prof. Dr. med.vet., Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Tierzucht und Tierhaltung, Kiel
Hoppe, Brigitte, Prof. Dr., München
* Lüders, Tillmann, Priv.-Doz. Dr., Helmholtz Zentrum München, Institut für Grundwasserökologie, Neuherberg. Ab April 2019: Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Ökologische Mikrobiologie, Bayreuth.
Matern, Mine, Prof. Dr., Sachverständige für Lebensmittel, München
Merrow, Martha, Prof. Dr., Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Medizinische Psychologie, München
Müller, Martin, Dr., Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Freising
Neuhaus, Klaus, Priv.-Doz. Dr., Technische Universität München, ZIEL Institute für Food & Health, Core Facility Mikrobiom, Freising
* Newbold, Charles James, Prof. Dr., Scotland’s Rural College (SRUC), Gut Microbiology Lab, Großbritannien
Rauwolf, Andreas, Gymnasium Olching, Olching
Renner, Susanne S., Prof. Dr., Ludwig-Maximilians-Universität München, Systematische Botanik und Mykologie, München
Reuter, Andreas, Dr., Gymnasium Alexandrinum Coburg, Coburg
Schleifer, Karl-Heinz, Prof. Dr., Unterschleißheim
* Schloter, Michael, Prof. Dr., Helmholtz Zentrum München, Abteilung für vergleichende Mikrobiomanalysen (CoMi), Neuherberg
* Stecher, Bärbel, Prof. Dr., Ludwig-Maximilians-Universität München, Max-von-Pettenkofer-Institut, Lehrstuhl für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, München
Tanner, Widmar, Prof. Dr., Regensburg
* von Mutius, Erika, Prof. Dr. med. Dr. h.c., Dr. von Haunersches Kinderspital, Kinderklinik und Kinderpoliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, München
* Wagner, Michael, Prof. Dr. Dr. h.c., Universität Wien, Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung, Österreich
Wurzbacher, Christian, Dr., Technische Universität München, Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft, Garching
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