Der vorliegende Band 44 behandelt das Gebiet der nördlichen Zillertaler Alpen (Westlicher Tuxer Kamm und Brandberger Kolm) sowie der angrenzenden südlichen Tuxer Alpen und schließt nahtlos an seinen Vorgängerband 43 an. Er widmet sich, tektonisch gesehen, den über den kristallinen Einheiten des Tauernfensters gelegenen Einheiten und führt den geowissenschaftlich interessierten Wanderer und Bergsteiger buchstäblich einige Stockwerke höher – nicht, was die Gipfelhöhen der Berge angeht, sondern die Tektonostratigraphie der zwiebelschalenartigen Umhüllung des Tauernfensters. Von den überwiegend kristallinen Einheiten des Venediger-Deckensystems als den am tiefsten liegenden Einheiten der Ostalpen geht es über das helvetische Modereck- und das auflagernde penninische Glockner-Deckensystem die gemischt kristallin-metasedimentäre „Zone von Gerlos“ hinauf ins uralte Oberostalpin und letztendlich die nochmals darüberliegenden unterostalpinen kalkigen Deckenklippen. Letztere sind vor allem in den südlichen Tuxer Alpen hervorragend aufgeschlossen. Erkundet werden – wie im Vorgängerband natürlich ebenfalls „per pedes“ – in insgesamt sieben Exkursionen einer der letzten Schluchtwälder der Alpen, in jeweils zweitägiger Runde der markante Brandberger Kolm am Westende des Gerlos- und Reichenspitzkammes sowie die größte Hochgebirgshöhle Österreichs und mit dem Kleinen Kaserer immerhin ein waschechter Dreitausender mit überragenden geologischen Ein- und naturgegebenen Ausblicken. Weitere Exkursionen führen in die geologisch hochkomplexe Welt des unterostalpinen Tarntaler Mesozoikums zwischen Geier, Lizumer Reckner und Hippoldspitze, wo sich Ozeanbodenreste neben jahrhundertmillionenalten lagunär-sedimentären Ablagerungen und seltsamen metamorphen (Mega-)Brekzien gleichermaßen finden. Den Abschluss bilden Ausflüge ins Oberostalpin rund um den Rastkogel mit seiner eiszeitlich anmutenden Grastundra-Landschaft, in die sich nur wenige Wanderer verirren.
Westlicher Tuxer Kamm, südliche Tuxer Alpen und Brandberger Kolm
Zweiter Band zur Geologie des Zillertals
2023. [Deutsch] – 224 Seiten, 246 Farbabbildungen, 8 topographische und 8 geologische Karten.
24 x 17 cm, Paperback.
35,00 €
zzgl. Versandkosten / Versandkostenfrei in D
Nachdem sich der Vorgängerband 43 intensiv mit den kristallinen Einheiten des Venediger-Deckensystems und damit dem „Kernbereich“ des westlichen Tauernfensters beschäftigt hat, widmet sich dieser Nachfolgeband den „weichen Zwiebelschalen“ seiner metasedimentären Umhüllung und den aufliegenden unter- und oberostalpinen Decken(-Klippen) im Areal des westlichen Tuxer Kammes, des Brandberger Kolm und der südlichen Tuxer Alpen. Sieben erdgeschichtliche Routen erkunden die „Wayside Geology“ neben, über und unter bekannten und unbekannteren Pfaden in meist stillen Bergregionen. Auch hier bildet das im Auftrag des Hochgebirgs-Naturparks Zillertaler Alpen neu kartierte und erstellte Geologische Kartenset im Maßstab 1: 25 000 die Grundlage (erscheint im Jahr 2023).
Vorwort
Dank
Topographischer und geomorphologischer Überblick des Exkursionsgebietes
Exkursionen
J Rundweg von Finkenberg durch die Glocke nach Mayrhofen und zum Gasthaus Zimmereben
K Entschleunigung mal ganz anders: Die lange Runde von Brandberg über Gerlosstein und Torhelm auf den Brandberger Kolm
L Harter Kern, weiche Schale: Von Tuxer Wasserfällen, einer Hochgebirgshöhle und dem Kleinen Kaserer
M Auf Drahtesel und Schusters Rappen in die verrückte Welt des Tarntaler Mesozoikums: Vom Geislanger zur Vallruckalm und auf das Dreigestirn Hippoldspitze, Eiskarspitze und Torspitze
N Hol mich der Geier! Entlang des Junsbaches in die entrückte Welt des Junssees und des Tarntaler Mesozoikums auf die beiden höchsten Tuxer Gipfel
O An der Keimzelle des Zillertaler Wohlstands: Vom Penken am aussichtsreichen Nordwestgrat zum Rastkogel und über das ehemalige Magnesitwerk Tux nach Vorderlanersbach
P Alles rutscht: Mit dem (E-)Bike auf das Geisljoch und über Halsspitze und Nurpensjoch auf den Rastkogel
Nachwort
Glossar
Unmittelbar nördlich an den Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen angrenzend liegen die Tuxer Alpen sowie die westlichen Ausläufer des Reichenspitzgruppe über Brandberg als ein stilles, bereichsweise sogar abgeschiedenes Randgebiet – sieht man einmal vom Winter ab, wenn zahlreiche skifahrende Zeitgenossen in Tux einfallen und das Tal in ein Tollhaus verwandeln. Ist es in Brandberg über das ganze Jahr niemals geschäftig und eher beschaulich, kehrt eben jene Gemütlichkeit in den Frühjahr- und Sommermonaten nach Ende der Ski-Hauptsaison auch im Tuxertal zwischen Madseit, Juns und Vorderlanersbach zurück. Einzig am Tuxer Gletscher tummeln sich noch die Sommerskifahrer auf dem sterbenden Gefrorene-Wand-Kees, laut einschlägiger Werbung an 365 Tagen im Jahr: gegenwärtig noch eine Tatsache, die jedoch durch den fortschreitenden Klimawandel nur noch „auf Pump“ zu halten ist. Die Anzeichen dafür sind bereits heute unübersehbar.
Gehört der westlichste Part der Reichenspitzgruppe als „Gerloskamm“ rund um den markanten Brandberger Kolm auch topographisch noch zu den Zillertaler Alpen, stehen die durch das Tuxertal von diesen getrennten Tuxer Alpen seit jeher im Schatten des berühmten Gebirgs-Nachbarn. Gerade, was Landschaft und Geologie angeht, sehr zu Unrecht! Es gibt dort zwar kaum funkelnde Kristalle und spektakuläre Berggestalten, ja nicht einmal einen der prestigeträchtigen Dreitausender, dafür aber stille, zu manchen Zeiten beinahe menschenleere Landschaften – eine Tatsache, die dem so geschäftigen Treiben rund um das Tuxer Skigebiet erstaunlich zuwider steht. Und strukturgeologisch betrachtet stehen die Tuxer Alpen sowie der Gerloskamm eigentlich „über“ den Zillertaler Alpen, bilden sie doch die nächsthöheren tektonischen Stockwerke und die Umrahmung des westlichen Tauernfensters. Dort finden sich Gesteine einstiger tiefmariner Ablagerungen sowie Sedimentstapel ehemals flachmariner, subtropischer Gefilde direkt neben- bzw. übereinander. Und da zumindest kleine Teilbereiche des diese metamorphen Sedimentgesteine unterlagernden Tauernfensters gerade noch ins hier beschriebene Exkursionsgebiet hineinreichen, steht die hiesige geologische Vielfalt jener des Vorgängerbandes „Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen“ nun wirklich in nichts nach.
Womit wir wieder beim Thema wären: Eigentlich war eine geologische wie literarische Verquickung beider Gebiete in einem einzigen „Wanderungen“-Band geplant. Jedoch entwickelte das geschriebene Wort im Lauf der Zeit eine eigene Art Evolution: Sowohl Geländebegehungen, als auch Datenrecherche hatten irgendwann eine Fülle erreicht, die eine Trennung des Manuskriptes notwendig machte und die sowohl aus einem topographischen, als auch aus einem geologischen Sinn plausibel erschien. Es lag also nahe, die tektonisch tieferen Einheiten des Tauernfensters inklusive der sie umgebenden permomesozoischen Decken (Modereck-Deckensystem), wie sie im Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen in der Hauptsache vorkommen, von den tektonisch „höheren“ Stockwerken der Tuxer Alpen (Penninikum, Unterostalpin und Oberostalpin) abzuspalten. Natürlich gibt es zahlreiche thematische Überschneidungspunkte zwischen beiden Gebieten, aber im Sinne eines Folgebandes erschien es wenig sinnvoll, die im Vorgängerband „Zillertaler Alpen“ dargelegten einleitenden Kapitel hier zu wiederholen. Entsprechende Detail-Erläuterungen werden im Zuge der Exkursionen abgehandelt und ein Glossar findet sich auch hier am Ende des Buches. Und da die Exkursionsnummern beider „Wanderungen“-Bände fortlaufend gehalten wurden, soll deren Fortsetzungscharakter unterstrichen werden. Die Trennung erfolgte letztendlich nur geschuldet der Handlichkeit des hier Beschriebenen – thematisch wie inhaltlich bilden beide Bände ehrlicherweise eine Einheit.
So kommen in der Glocke (Exkursion J), am Brandberger Kolm (Exkursion K) sowie am Tuxer Kamm (Exkursion L) ebenjene Einheiten des Venediger- und Modereck-Deckensystems vor, die bereits in den einigen Exkursionen des Vorgängerbandes xx beschrieben stehen – nur eben in einem etwas anderen Zusammenhang. Die übrigen Routen in den südlichen Tuxer Alpen (Exkursionen M, N, O und P) erschließen tatsächlich geologisches Neuland, das im Vorgängerband so nicht erwandert und erlebt werden kann…
Der rote Faden der hier vorgestellten Exkursionen ist gleichgeblieben: alle Routen müssen erwandert oder teilweise „erradelt“ werden. Das eigene Auto nützt nur für den Zubringer zum Ausgangspunkt. Es wurde versucht, die Wege und die Natur nach bestem Wissen und Gewissen in all ihren Facetten (und Tücken!) zu beschreiben, aber dennoch kann ich keine Haftung für selbst verschuldete Unfälle übernehmen. Vor allem die Exkursionen auf die höchsten Tuxer Gipfel sowie der hier beschriebene Zillertaler Dreitausender (Kleiner Kaserer) sind teilweise ausgesetzt, meistens steil, abschüssig und mitunter wetterbedingt schwierig zu begehen. Sie sollten deswegen nur bei stabilen äußeren Umständen und von ausdauernden, trittsicheren und einigermaßen „alpinaffinen“ Zeitgenossen begangen werden. Jedoch gibt es beinahe zu allen Exkursionen entschärfte Varianten, die die schwierigsten Passagen ausklammern und somit auch von nicht komplett bergversierten Mitmenschen begangen werden können.
Die günstigste Jahreszeit sind die Sommermonate, bei guten Verhältnissen auch bereits das späte Frühjahr sowie der „goldene“ Oktober über das Saisonende der Schutzhütten hinaus. Vor allem im Herbst sind die Temperaturen am erträglichsten, die Farben am kräftigsten und das Wetter am stabilsten (aber auch die Tage am kürzesten).
Zur Wegfindung wurden dem Buch Auszüge aus der amtlichen topographischen Karte Österreichs sowie der neu erstellten „Geologischen Karte des Hochgebirgs-Naturparkes Zillertaler Alpen und angrenzender Gebiete“ in unterschiedlichen Maßstäben beigelegt. Dennoch sei der besseren Übersicht wegen auf die beiden hervorragenden Alpenvereinskarten Blatt Zillertaler Alpen West sowie Tuxer Alpen in den Maßstäben 1:25000 bzw. 1:50000 verwiesen.
Ich möchte Sie also einladen, mir auf geologischen Spuren auf die stille Seite der Zillertaler und Tuxer Alpen zu folgen und die Landschaft mit ganz anderen Augen zu sehen. Auch hier hoffe ich, dass Ihnen die vielfältigen landschaftlichen und geologischen Reize der Landschaft und Ihre Erdgeschichte nicht allzu lang verborgen bleiben werden.
Thomas Hornung, Salzburg und Berchtesgaden im Winter 2022.
Thomas Hornung, Jahrgang 1975, Oberfranke und Wahl-Oberbayer gleichermaßen, versteht sich als vielseitig interessierter Geowissenschaftler und ist seit beinahe drei Jahrzehnten während Studium, Promotion und Berufsleben zwischen Fossilien, Geologischer Landesaufnahme alpiner Bergwildnis, paläontologischer Forschung, Baugrundgutachten und Baustellen, Geo-Büro und Universität schwerpunktmäßig im Ostalpenraum, Alpenvorland und Frankenalb unterwegs. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Geologie möglichst breit zu betreiben sowie zu vermitteln und neben dem Beruf sein Wissen an nachfolgende Generationen von Geowissenschaftlern weiterzugeben. Mit den Zillertaler und Tuxer Alpen hat er für sich selbst ein neues, überaus spannendes Kapitel aufgeschlagen, dass erstaunlicherweise „beinahe von ganz alleine“ die Brücke zu seinen Kernthemen in den Nördlichen Kalkalpen fand. Als neuestes Resultat liegt nun eine (zweibändige) allgemeinverständliche Beschreibung der komplexen Vorgänge betreffend das westliche Tauernfenster und seine „weiche“ Umhüllung vor, die nicht nur „geologische Hardrocker“, sondern auch ein breiteres, geologisch interessiertes und bergversiertes Publikum ansprechen soll.
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