Die allochthonen Urgonkalke (Gerölle, Fluxoturbidite, Olistholithe) im Mittleren Abschnitt der Nördlichen Kalkalpen, zwischen der Thierseemulde im Westen und dem Hohen Staufen im Osten, wurden mikrofaziell ausgewertet und ihr Faunen- und Floreninhalt systematisch bearbeitet.
Die Geröllvorkommen, vor allem in den basalen Gosaukonglomeraten, belegen ein kontinuierliches, neritisches Sedimentationsregime vom oberen Barrême bis in das obere Alb bzw. untere Cenoman.
Im oberen Barrême lassen sich zunächst nur höherenergetische, bioklastische Karbonatfazien der äußeren Plattform nachweisen; Lithologien mit Siliziklastika dokumentieren einen terrigenen Input, der sich aber nur auf lineare Distributionssysteme (Kanäle) beschränkt. Im oberen Apt erlauben die Gerölle die Rekonstruktion einer weiten Karbonatplattform mit einer lakustrisch-brackischen Randfazies mit Characeen, einem lagunären Stillwasserbereich der internen Plattform mit Foraminiferen, Dasycladaceen und Rudisten bis hin zu distalen Plattformbereichen mit Kalksandbarren (shoals) und kleinen Korallen-Stromatoporoiden patch-reefs mit einerdiversen Rotalgenflora. Der Talus zeichnet sich durch Faziestypen, die reich an sandschaligen Foraminiferen, Echinodermen und Spongien sind, aus.
Im Laufe des Albs verstärkt sich der klastische Einfluß kontinuierlich durch großflächig progradierende Deltasysteme. Dies führt zum Erliegen der »echten« Urgon-Biosedimentation und es kommt zur Ausbildung karbonatisch-siliziklastischer Mischfazien. Das Ende der überlieferten Flachwassersedimentation stellen Orbitolinensandsteine des oberen Albs bzw. unteren Cenomans dar. Die stratigraphische Einstufung der Gerölle erfolgte mit Foraminiferen, besonders orbitoliniden Großforaminiferen und Kalkalgen. Die auftretenden Mikroproblematika sind zwar stratigraphisch wertlos, eignen sich aber aufgrund ihrer Biotoppräferenz als gute Faziesindikatoren.
Im systematischen Teil werden zahlreiche Arten (Fauna und Flora) erstmalig aus der kalkalpinen Unterkreide beschrieben. Die Mikrofauna ist aufgrund des zeitlich beschränkten Auftretens innerer Plattformsedimente und der karbonatisch-siliziklastischen Mischfazien deutlich geringer divers als das klassische Urgon Südfrankreichs.
Der Konzentrierung der allochthonen Urgonkalke im südlichsten Abschnitt des Hochbajuvarikums vordertirolischen Deckenstirn und anderen Faktoren wird ein Modell gerecht mit der Annahme der ehemaligen Urgonplattform auf dem Tirolikum. Das Juvavikum scheidet, aufgrund seines regional beschränkten Vorkommens und seiner frühen Emersion im Oberjura bzw. in der tieferen Unterkreide, als Liefergebiet aus.
Die unterkretazische Flachwassersedimentation im Internbereich der Nördlichen Kalkalpen wird in ursächlichem Zusammenhang mit den zuerst im Süden beginnenden Hebungen als Folge der im Norden einsetzenden Subduktion des Penninikums unter das Austroalpin, gesehen (Austroalpine Phase) und/oder der Obduktion ozeanischer Kruste des ehemaligen Vardarozeans im Grenzbereich Nord-/Südalpen gesehen.
Der steuernde Faktor für die Plattformentwicklung ist synsedimentäre Tektonik, die von den südlichen Internbereichen sukzessive nach Norden voranschreitet und im Laufe des Albs zu einem siliziklastischen Terminalstadium führt. Diese Entwicklung, die die austrischen Bewegungen widerspiegelt, läßt sich mit dem Supra-Urgon des baskonkantabrischen Gebirges Nordspaniens vergleichen. Mit dem oberen Alb bzw. unteren Cenoman endet die Sedimentation auf dem Tirolikum und die subaerische Erosion der Urgonkalke beginnt mit einem nordwärts gerichteten Transport in die kompressiven Gosautröge im Vorfeld der späteren Deckengrenze Hochbajuvarikum / Tirolikum. Die zwei Hauptakkumulationsphasen der Urgonkalke auf sekundärer Lagerstätte in der basalen Gosau und den obereozänen Konglomeraten des inneralpinen Tertiärs lassen sich mit plattentektonischen Kollissionsereignissen korrellieren (prägosauische und illyrische Phase).
Im Bereich des alpin-karpatisch-dinarischen Orogens finden sich weitere Vorkommen resedimentierter Urgonkalke, bzw. urgontypischer Mikrofossilien in den Lechtaler Kreideschiefern, den oberostalpinen Triazza-Schichten des Engadins, den Lienzer Dolomiten des Drauzuges, den östlichen Karawanken, den Gerecse Bergen des Transdanubikums in Ungarn und der slowenischen Ostrc-Formation der inneren Dinariden. In einem Modell werden all die genannten Vorkommen von einer das westliche Ende des Vardarozeans umlaufenden Urgonplattform (urgonian belt) hergeleitet. Dieser unterkretazische, umlaufende Faziesgürtel in einem kompressiven Stadium entspricht der zonalen Faziesanordnung wie zur Zeit der Trias (extensives Stadium). Somit ergibt sich die Anordnung einer Zentralzone mit den Vardar-Obduktiten, kontinental-terrestrische Fazies (Juvavikum und seine Äquivalente), marginale Urgon-Plattform und Beckensedimente (z.B. Neokom-Aptychen-Schichten). In den Bereichen mit akzentuierter Tektonik wird die Herausbildung einer karbonatischen Urgonplattform verhindert und es kommt es zu einer siliziklastisch-flyschoiden Entwicklung (z.B. Roßfeld-Schichten).
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