Weite Teile alter Kulturlandschaften am türkischen Euphrat wurden und werden beim Bau von Staudämmen unter Wasser gesetzt. Die Zeugnisse der in der Altsteinzeit beginnenden Kulturen werden deshalb in internationalen Rettungsaktionen archäologisch ausgegraben und aufgenommen.
Dem Bau des Atatürk-Dammes zwischen Adiyaman und Urfa in Südostanatolien wird der Siedlungshügel Lidar Höyük zum Opfer fallen. Die Besiedlung ist seit dem Chalkolithikum (4. Jahrtausend vor Chr.) bis ins Mittelalter (13. Jahrhundert) nachzuweisen. Ihre größte Ausdehnung hatte sie jedoch in der Frühbronzezeit (etwa 2500 bis 2000 v. Chr.). In unmittelbarer Nachbarschaft existierte damals das größte, bislang entdeckte kleinasiatische Töpferzentrum.
Die außerordentlich günstige Situation – ausreichende Keramikmengen, Rohstoffe und Töpferöfen – sprach für eine Bearbeitung der frühbronzezeitlichen Keramik von Lidar Höyük und die Rekonstruktion der Töpfer-Technologien.
Die Kombination vielfältiger geowissenschaftlicher Methoden zur Beschreibung antiker Keramik-Technologien wurde erstmals konsequent angewandt. Archäometrische Untersuchungen gehen meist von einer bekannten Methode aus, die auf die Keramik angewandt wird. Damit wird im Grunde genommen das zu lösende Problem einer Methode untergeordnet. Sinnvoll zusammengestellte Methoden aus den Gebieten der allgemeinen Geologie, Geochemie, Sedimentologie, Paläontologie und Mineralogie-Petrographie machten eine befriedigende Beschreibung der antiken Töpfertechnologie in Lidar Höyük möglich.
Die Scherben von Lidar Höyük konnten phasenmineralogisch und geochemisch in vier Gruppen eingeteilt werden. Die grobe Gebrauchskeramik, die einfache und die feine Keramik wurden im Töpferzentrum produziert. Ihr Rohstoff stellt eine Mischung von Flußschwemmtonen, Euphratschottern und Schüttungen aus den kalkigen, mergeligen und tonigen anstehenden Einheiten dar. Für jede der Keramikgruppen wurde der Rohstoff unterschiedlich stark geschlämmt. Die Küchenkeramik von Lidar Höyük wurde aus mit gebrochenem Calcit gemagerten Maastrichttonen gefertigt. Für die »metallische« Ware und die chalkolithische Küchenkeramik konnten keine korrelierbaren Rohstoffe in der Umgebung des Töpferzentrums ermittelt werden. Sie werden deshalb als importierte Fremdwaren angesehen.
Die Identifizierung der Brenntemperaturen richtete sich nach Phasenbestandsveränderungen von kritischen Mineralen in den Versuchsbränden an Originalmaterial (oxidierende Atmosphäre). Der phasenmineralogische Vergleich ergab für die Küchenkeramik Temperaturen zwischen 600-650 °C und eine Haltezeit von 16 Stunden. Die übrigen Keramikwaren von Lidar Höyük wurden in einem Temperaturbereich von 750-950 °C bei 16 Stunden und 1000-1200 °C bei 8 Stunden Haltezeit gebrannt, was im Gesamtrahmen der frühbronzezeitlichen Keramik sehr hohe Temperaturen sind.
Die kalkreichen Rohstoffe von Lidar Höyük machen ein rasches Abkühlen nötig, da sich in ihnen unter anderen Kalksilikatmineralen die Zementphase BETA-C2S (2CaO·SiO2) neu bildet; sie geht beim langsamen Abkühlen mit einer Volumenvergrößerung von ihrer BETA- in die GAMMA-Modifikation über, was zu einer Zerstörung der Keramik führt.
Die Öfen wurden aus dem umliegenden Material gebaut, das den Rohstoffen der Keramik sehr ähnlich ist. Die Temperaturen betrugen an der Außenwand unter 600 °C und in den verglasten Partien im Inneren über 1240 °C. Der einfacher gebaute und jüngere Ofentyp A konnte nach dem Brand schnell aufgebrochen werden und war deshalb für eine zwischen 750-950 °C gebrannte Keramik geeignet, die rasch abgekühlt werden mußte (Zementphasen!). Im älteren Ofentyp B mit Lochtenne und Ofenkuppel wurde fast ausschließlich bei Temperaturen über 950 °C gebrannt. Die Vereinfachung der Bauweise kann als technologischer Fortschritt gedeutet werden.
Keramiken mit einer ähnlichen geochemischen Zusammensetzung sind im mesopotamischen Raum aber auch anderenorts keine Ausnahme, so daß der vorliegende Gedankenansatz, das benutzte »Paket« von Untersuchungsmethoden, auf ähnliche Bearbeitungen antiker Keramik übertragbar erscheint.
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